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Das Cornu-Problem

Cornu aspersum (Müller 1778)

 
Ignaz von Born (1742-1791).

Otto Friedrich Müller (1730 - 1784).
 

Am Beispiel der gefleckten Weinbergschnecke (Cornu aspersum) kann man sehr schön zeigen, wie sich der systematische Name einer Schneckenart über die Jahrhunderte entwickelt hat, wie bei der Vergabe systematischer Namen vorzugehen ist (oder auch nicht), und dass es auch hier manchmal Sonderfälle gibt.

Zum ersten Mal wurde die Schneckenart als Helix aspersa in dem Werk "Vermium Terrestrium et Fluviatilium seu animalium infusorium, helminthicorum, et testaceorum non marinorum succincta historia" des dänischen Naturwissenschaftlers Otto Friedrich Müller (1730-1784) beschrieben. Helix aspersa bedeutet wörtlich "die gefleckte Weinbergschnecke". Müllers Werk war übrigens auch dahingehend besonders, dass Müller nicht nur wichtige Grundlagen auf dem Gebiet der Schneckenkunde ( Malakologie) legte, sondern auch den Versuch unternahm, Mikroorganismen ("Infusioria") zu beschreiben.

Im Jahre 1778 veröffentlichte in Wien Ignaz von Born (1742-1791) die Ergebnisse seines Auftrages, die Naturaliensammlungen im kaiserlichen Hofmuseum neu zu ordnen: "Index rerum naturalium Musei Caesarei Vindobonensis". In diesem Werk veröffentlicht er die Abbildung einer missgebildeten Form der Schnecke als Cornu copiae (das Füllhorn).

Ignaz von Born war auch sonst ein sehr interessanter Zeitgenosse: Freimaurer und ein Bekannter Mozarts (wahrscheinlich das Vorbild für den weisen Sarastro aus der Zauberflöte), ist er vor allem durch mineralogische Veröffentlichungen und Erfindungen bekannt geworden.

 

Einen weiteren systematischen Namen erhielt die Schnecke schließlich im Jahre 1837 durch die Veröffentlichung von Jean de Charpentier "Catalogue des mollusques terrestres et fluviatiles de la Suisse". Dort wurde sie abermals neu beschrieben, diesmal als Cryptomphalus aspersus. Cryptomphalus bedeutet auf Griechisch "versteckter Nabel", da dieser bei der gefleckten Weinbergschnecke vom columellaren Teil der Mündungslippe verdeckt wird und nicht zu sehen ist (Bild links).

Beschäftigt man sich mit der modernen Systematik der gefleckten Weinbergschnecke, so stellt man fest, dass es zwei bis zum gewissen Grade konkurrierende Ansichten gibt, wie nun diese Schneckenart korrekterweise zu benennen sei.

In der Check List of European Continental Mollusca (CLECOM, Fassung von 2001) wird die Art als Cornu aspersum aspersum (O.F. Müller, 1774) unter der Gattung Cornu Born 1778 aufgeführt. In der Erklärung wird dazu aufgeführt: "(Cornu): Cryptomphalus Charpentier 1837 ist jüngeres Synonym von Cornu Born 1778. Der Name wurde, obwohl auf ein teratologisches Exemplar begründet, als Untergattungsname in den letzten Jahren häufiger gebraucht, so dass eine Unterdrückung zugunsten von Cryptomphalus kaum möglich ist (Pilsbry 1948: 1091, Zilch 1962: 21 Anm. 58, Waldén 1976: 25) [vP, F]."

 
Präparat von Cornu aspersum im Naturhistori-
schen Museum in Wien. Bild: Robert Nordsieck.

Im Gegensatz dazu platzieren Giusti et al. 1996 in ihrem Buch "The non-marine molluscs of the Maltese Islands" die gefleckte Weinbergschnecke und die Singschnecke Cantareus apertus (Born 1778) auf der Grundlage gemeinsamer anatomischer Eigenschaften in der gemeinsamen Gattung Cantareus Risso 1826. Im Besonderen sei Cornu als Gattungsname nicht anzuerkennen, da es sich bei dem von Born beschriebenen Exemplar um eine Fehlbildung gehandelt habe. Teratologische Exemplare oder Fehlbildungen jedoch sind als Grundlage für systematische Bezeichnungen von der ICZN (International Commission on Zoological Nomenclature) "für teratologische Exemplare als solche" nicht gestattet.


Die Abbildung von Cornu aspersum in Ignaz von Borns "Index rerum naturalium
Musei Caesarei Vindobonensis" (1778-1780).
 

In einer Besprechung des Buches schreibt J. Gerber jedoch 2000 in Heldia 3/1 (pp 42 ff.): "Ob "Helix" aspersa", wie von den Autoren aufgrund genitalanatomischer Merkmale gehandhabt, mit "Helix" aperta in einer Gattung stehen muss, wird zu überprüfen sein. Die Verwendung des Gattungsnamens Cantareus RISSO 1826 erscheint jedoch problematisch. Da es nicht erwiesen ist, dass der Name Cornu copiae von Born (1778) mit dem Bewusstsein und der Absicht, ein teratologisches Exemplar zu benennen, vergeben wurde trifft ICZN (s.o.) nicht zu und Cornu ist somit ein verfügbarer Gattungsname.".

Zusammengefasst wird also Giustis Gruppierung von Cornu und Cantareus in der gemeinsamen Gattung Cantareus von einer größeren Anzahl an Malakologen nicht anerkannt. Zusätzlich wird die Gattung Cornu Born 1778 als verfügbar verstanden, weil Born in seiner Veröffentlichung nicht ausdrücklich ein fehlgebildetes Exemplar mit dem Namen Cornu copiae bezeichnen wollte, sondern die Schneckenart an sich.

Das Ergebnis ist nun, dass manche Malakologen bei der Bezeichnung Cantareus aspersus nach Giusti bleiben und andere bei Cornu aspersum nach CLECOM. Die vorliegende Homepage wird sich, wie in der Einleitung erwähnt, auch weiterhin nach CLECOM richten.

Eins jedoch bleibt abschließend sicher: Cornu aspersum oder Cantareus aspersus: Der richtige systematische Name der gefleckten Weinbergschnecke lautet auf jeden Fall nicht Helix aspersa.

Quellen:

Links: