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Sinnesleistungen der Weinbergschnecke

Beschreibung mit Versuchen


Ein erster Kontakt... Bild: Robert Nordsieck.
 

Beobachtet man eine Weinbergschnecke in der Natur, so kann man feststellen, dass die Schnecke trotz ihrer scheinbaren Unbeholfenheit gut an ihre Umgebung angepasst ist. Der weiche, flexible Kriechfuß passt sich an jeden Untergrund an, und dank des Unterdruckes, den die Schnecke mit der Fußsohle produziert, kann sie in jeder denkbaren Lage kriechen, selbst "kopfunter".

Dabei stellt sich die Frage, durch welche Sinne eine Schnecke eigentlich eine Orientierung über ihre Umwelt erhält, und wie sie darauf reagiert. Einige einfache Versuche können die wichtigsten dieser Fragen beantworten.

Der bekannteste Sinn der Schnecken ist zweifellos der Tastsinn. Fast jeder hat wahrscheinlich schon einmal einer Schnecke vorsichtig an den Kopf getippt, um zu sehen, wie sie erschreckt ihre Fühler einzieht. Beobachtet man eine Schnecke, wie sie sich fortbewegt, so stellt man fest, dass der gleiche Vorgang jedes Mal statt findet, wenn die Schnecke auf ein ungewohntes Hindernis stößt. Zunächst wird das Hindernis mit den Fühlern ertastet, die sich jedes Mal zurück ziehen, wenn der Tastreiz zu stark wird.

 
 
 
Versuche zum Lagesinn der Schnecke.  Bild: Robert Nordsieck.

Besonders gut und spektakulär kann man diesen Vorgang mit dem Rasiermesserversuch erforschen. Dazu benötigt man nur eine Schnecke und ein mit der Schneide nach oben am Tisch befestigtes Rasiermesser. Besonders gut eignet sich zur Befestigung ein großer Klumpen Knete (Plastilin), mit dem der Griff des Rasiermessers am Tisch festgeklebt wird.

Anschließend wird die Schnecke mit dem Kopf vor die Messerschneide gesetzt, so dass sie beginnt, darüber zu kriechen. Nicht nur gelingt es der Schnecke, über die Messerschneide zu kriechen, ohne sich zu verletzen, auch kann man bei diesem Versuch besonders gut erkennen, wie die Schnecke die Messerklinge ertastet, bevor sie darüber kriecht.

Diese Leistung der Schnecke wird natürlich erheblich durch den Schleim unterstützt, auf dem sie kriecht, da dieser die Reibung zwischen Fuß und Oberfläche reduziert, der Schnecke aber gleichzeitig auch Haftung am Untergrund verleiht. Zusätzlich dazu produziert die Schnecke mit ihrer Methode der Fortbewegung einen Unterdruck unter ihrer Fußsohle, der ihr zusätzlichen Halt verleiht. Dadurch kann die Schnecke ohne weiteres auch kopfüber kriechen.

Bilderserie: Weinbergschnecke kriecht über einer Messerklinge.

Bei diesem Versuch setzt die Schnecke nicht nur ihren Tastsinn ein, sondern auch einen weiteren Sinn, den Lagesinn oder statische Sinn. Der Lagesinn ermöglicht es der Schnecke, sich z.B. wieder in ihre normale Lage zu versetzen, wenn sie auf den Rücken gedreht wurde. Natürlich muss die Schnecke sich auch jederzeit über ihre Lage im Raum im klaren sein, wenn sie den Versuch macht, über eine Messerklinge zu kriechen. Der Lagesinn der Weinbergschnecke funktioniert mittels der so genannten Statocysten, zwei mit Flüssigkeit gefüllten Bläschen, die sich auf beiden Seiten des Schlundringes befinden. In der Flüssigkeit schwimmen mehrere Kalkkörnchen, die so genannten Statolithen. Sinneszellen ermitteln die Veränderung der Lage der Statolithen in den Statocysten und verschaffen der Schnecke so ein Bild über ihre Lage im Raum.


"Eindeutig unpräparierte Nahrung...". Bild: Robert Nordsieck.
 

Als chemische Sinne unterscheiden sich Geruchs- und Geschmackssinn von den übrigen Sinnen. Schmecken findet durch Kontakt mit der Materie statt. Der Geschmackssinn ist also ein Kontaktsinn. Der Riechvorgang hingegen findet in Entfernung von der Materie statt, ist somit ein Entfernungssinn.

Den Unterschied zwischen beiden ist einfach zu ermitteln. Wird einer Schnecke eine bevorzugte Nahrung angeboten, so wird sie aus einiger Entfernung darauf zu kriechen. Wurde diese Nahrung nun mit einer nicht stark riechenden, aber sehr widerwärtig schmeckenden Substanz (als nützlich hat sich dazu Essigsäure erwiesen) präpariert, wird sich die Schnecke beim ersten Kontakt damit mit einer deutlichen Abwehr-Reaktion abwenden.

Bei einem weiteren Versuch, der aber den Unterschied zwischen Geruch und Geschmack nicht so deutlich darstellt, wird eine Schnecke inmitten eine Kreises aus Salbe abgesetzt, der zuvor auf einer Glasplatte hergestellt wurde. Je nachdem, wie stark der Geruch der Salbe ist, wird die Schnecke versuchen, den Salbenkreis zu überschreiten, indem sie, möglichst den Kontakt vermeidend, darüber klettert. Dabei erkennt man auch, dass Schnecken nicht nur mit den Lippen und den kleinen Tentakeln riechen und schmecken können, sondern mit dem ganzen Körper. Histologische Untersuchungen haben ergeben, dass der gesamte Körper von Weinbergschnecken mit Geruchs- und Geschmackssinneszellen besetzt ist. Die stärkste Konzentration allerdings ist in vorderen Bereich des Körpers, besonders in den Lippen und den kleinen Tentakeln.


Linsenauge einer Weinbergschnecke.
Bild: Jan Parmentier.
 

Ähnlich, wie die hoch entwickelten Kopffüßer besitzen auch die Landlungenschnecken, und unter ihnen die Weinbergschnecke, einen hoch entwickelten Sehsinn. Obwohl die Augen der Weichtiere von der Leistungsfähigkeit her mit denen der Wirbeltiere vergleichbar sind, sind sie anders gebaut: Es sind everse Augen, die embryonal aus einer Einstülpung  der Körperaußenwand entstehen. Die Lichtsinneszellen zeigen ins Augeninnere, und sind daher, im Gegensatz zu denen der Wirbeltiere, dem Lichteinfall zugewandt.

Die Augen der Schnecken.

 
Hell-Dunkel-Versuch mit Bänderschnecken (C. nemoralis).

Mit einem einfachen Versuch kann man feststellen, dass Schnecken Hell und Dunkel unterscheiden können. Dazu wird eine Schnecke in einen verdunkelten Raum gebracht, aus dem nur eine Öffnung ins Helle führt. Das Ergebnis des Versuches wird, wie im Bild links, besonders deutlich, wenn man ihn mehrfach gleichzeitig durchführt.

Das Erkennen von Hindernissen auf eine Entfernung von mehreren Zentimetern kann man durch einen Versuch darstellen, indem man eine Schnecke in eine Glasglocke setzt und sie auf die Wand der Glocke zu kriechen lässt. Stellt man der Schnecke nun außerhalb der Glasglocke ein Hindernis in den Weg, so wird sie diesem ausweichen, obwohl es sie nicht behindert, da es ja außerhalb der Glasglocke steht. Die Schnecke muss das Hindernis gesehen haben, da ihr sonst kein anderer Sinn zur Verfügung stand.

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