Die Weinbergschnecke

    Kennst du das Lied von meiner Schnecke? –
Sie kommt bestimmt gleich um die Ecke:

Frühmorgens schlüpft sie aus dem Haus –
sie hastet nicht, flitzt nicht hinaus.
Sie streckt die Fühler in die Luft
und schnuppert frischen Morgenduft.

Dann stellt sie auf ihr Teleskop
und prüft genau ihr Biotop.
Ein winz’ges Äuglein auf dem Stiel
zeigt von der Umwelt ihr sehr viel.

Und weil es zwei sind, sieht sie mehr,
nicht doppelt, nein, nur einfach mehr.
Man braucht schon eine Menge Zeit,
denn diese Schnecke kommt nicht weit.

Sie hat ein Haus – ist wohl sehr reich –
und schleppt es mit sich an den Teich.
Ein letzter Biss in den Salat
stärkt sie auf ihrem langen Pfad.

Denn sie trägt schwer an ihrem Haus,
kommt mit dem Körper nicht heraus.
Ich denk, sie hat sich eingeklemmt –
das hat man davon, wenn man schlemmt.

Nun lebt sie dort, ich glaub für immer,
für sich allein in einem Zimmer.
Es hat kein Fenster, keine Tür –
was kann die Schnecke schon dafür?

Sie hat es nicht mal selbst gebaut,
es wuchs von selbst wie jede Haut.
Das ist ein Wunder, glaub es mir,
wo sieht man sonst ein solches Tier!

Und auf dem Rücken sitzt es gut;
es ist gleich Rucksack und gleich Hut,
der vor der heißen Sonne schützt
und selbst im Winter wirklich nützt.

Sie kriecht auf ihrem Schleim dahin.
Im Schneckentempo muss sie fliehn,
wenn sie sich fühlt von uns bedroht.
Doch wohin flieht sie in der Not?

Sie schlüpft ins Haus – der beste Ort –
und wartet, bis der Feind ist fort.
Doch manchmal pickt der Feind ans Tor
und holt mit Schnabel sie hervor.

Die Drossel, Elster mag sie roh,
auch einem Maulwurf schmeckt sie so.
Selbst Fuchs und Igel und die Maus –
sie lieben Schnecken mitsamt Haus.

Doch ihre Liebe ist nicht echt,
verletzt sie doch das Lebensrecht.
Ja, auch das Hausrecht wird gestört,
so dass die Schnecke sich empört.

Jedoch das nützt ihr gar nichts mehr –
in ihrem Tempo denkt sich’s schwer.
So gibt sie sich dem Schicksal hin,
denn Gegenwehr hält Böses hin.

Ich hoffe nur für meine Schnecke,
dass sie es schafft bis zu der Hecke,
wo man sie nicht so leicht entdeckt.
Ich denk, dort wär sie gut versteckt.
   
 
   
 
   
   
   
 
   
 
   
 
     

© 2007 / Mirko Swatoch
Bilder: Cornelia Kothmayer und Robert Nordsieck