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Weichtiere in Kunst und Kultur

Seit der frühesten Zeit seiner Entwicklung hat der Mensch schon einen Beziehung zu den Weichtieren, lange bevor ein Mensch in der Lage war, zu realisieren, was ein Weichtier überhaupt ist.

Prähistorische Nutzung

Bei frühen Menschenstämmen, die in der Nähe des Meeres lebten, waren Weichtiere – Schnecken und Muscheln – eine willkommene Eiweißquelle, die man ohne weiteres sammeln konnte und von der keine Gefahr ausging. Die äußerlich ansprechenden Schalen der Weichtiere fanden auch bald Eingang die die Kunstwelt des frühen Menschen, sei es, dass Muschelschalen als Palette des Künstlers bei der Höhlenmalerei Verwendung fanden, oder dass wichtige Feste mit dem Ton des Tritonshorns eingeleitet wurden. Muschel- und Schneckenschalen ließen sich als Schmuck verwenden, Perlen zur Verzierung.

 
"Die Geburt der Venus" (Botticelli, 1482). Bild vergrößern!

Prähistorische Muschelhaufen, die so genannten Køkkenmøddinger, zeugen heute noch von den Mengen von Muscheln, die von einem Stamm verwertet worden waren.

Wikipedia: Køkkenmøddinger.

Nicht nur Schnecken und Muscheln wurden von prähistorischen Stämmen zur Schmuckherstellung genutzt. Auch die lang gestreckten Schalen der Elefantenzähne, wissenschaftlich als Kahnfüßer (Scaphopoda) bezeichnet, wurden zu Ketten verarbeitet, wie man aus einer Ausstellung im Urzeitmuseum in Asparn an der Zaya erfahren kann. Elefantenzähne werden heute noch bei den amerikanischen Indianern als Schmuck verwendet.

Kahnfüßer (Scaphopoda).
Urzeitmuseum in Asparn an der Zaya (Niederösterreich).

Weichtiere in der Antike

Aus der griechischen Antike kennen wir viele heute gebräuchliche wissenschaftliche Namen von Weichtieren. So ist die Bezeichnung Oktopus nicht etwa Lateinisch, sondern Griechisch (πους = der Fuß). Auch aus der Sagenwelt kennen wir Geschichten über Weichtiere, auch wenn die Molluske nur selten die Hauptrolle spielt: So gelangt die Liebesgöttin Aphrodite nach ihrer Schaumgeburt (daher ihr Name) mit Hilfe einer Muschel an Land, wie man in dem Bild von Sandro Botticelli bewundern kann. Allerdings handelt es sich, wie der Malakologe alsbald feststellt ( Malakologie), dabei nicht um eine Venusmuschel, wie man meinen sollte, sondern eine Herzmuschel (Acanthocardia aculeata). Aber auch diese liegt ja nicht fern vom Tätigkeitsfeld der Aphrodite.

Weniger erfreulich ist die Geschichte der Ungeheuer Scylla und Charybdis aus der Odyssee. Man kann davon ausgehen, dass es sich bei dem vielarmigen Monster Scylla um die übertriebene Beschreibung eines riesigen Kraken handelt. Ebenso wie das mythische Monster, nur in einer viel kleineren Größenordnung, lauert ja auch der Krake in seinem Unterschlupf und ergreift mit seinen Fangarmen unvorsichtige Meeresbewohner, allerdings nicht Seeleute, sondern vor allem Krustentiere.

Purpurschnecken

 
Kaiser Justinian I., Mosaik in San Vitale, Ravenna.

Herkuleskeule (Haustellum brandaris), eine mediterrane Purpur-
schnecke. Bild: Roberto Pillon.
 

Das bedeutendste Weichtier der Antike war wohl die Purpurschnecke. Die berühmten Hopliten Spartas hüllten sich in einen Mantel, der mit dem selben wertvollen Stoff gefärbt wurde, dessen Farbe in Streifen die Togen der römischen Equites ("Ritter") und Senatoren kenntlich machte und schließlich eine Verewigung als "kaiserlicher" Purpur fand, der dem römischen Kaiser und seinem byzantinischen Nachfolger vorbehalten war. Der byzantinische Kaiser Justinian I. (483 – 565) ist von seinem Gefolge deutlich durch seinen purpurnen Mantel zu unterscheiden. Heute ist Purpur die Farbe der katholischen Kardinäle.

Der Purpurfarbstoff der Antike wird zwar den Phöniziern im heutigen Libanon zugeschrieben, konnte aber bereits aus dem minoischen Kreta um 1600 v. Chr. nachgewiesen werden. Der Purpurfarbstoff entsteht als Sekret einer Drüse nahe der Kiemen einer Meeresschnecke. Dieses Sekret aus der so genannten Hypobranchialdrüse färbt sich in Kontakt mit dem Sauerstoff der Luft mit der Zeit purpurfarben. Da eine Schnecke nur eine geringe Menge des Farbstoffs liefert, mussten damals 12.000 Schnecken zur Gewinnung von 1,5 Gramm des wertvollen Farbstoffs getötet werden – im Libanon kann man heute noch ganze Hügel nachweisen, die durch die übrig gebliebenen Schalen entstanden. Plinius der Ältere (23 – 79 n. Chr.) berichtet in seiner Naturalis historia von dem komplizierten Herstellungsverfahren.

Mehrere meereslebende Schneckenarten wurden zur Gewinnung von Purpurfarbstoff verwendet, unter den bekanntesten sind im Mittelmeerraum die Herkuleskeule (Haustellum brandaris), sowie die eigentliche Purpurschnecke (Hexaplex trunculus). Im Norden wurden außerdem die Nordische Purpurschnecke (Nucella lapillus, Purpurgewinnung aus dieser Art ist z.B. aus Irland bekannt), ebenso Stramonita haemastoma. Purpurschnecken sind systematisch nahe verwandt, sie gehören zu den Stachelschnecken (Muricidae), ein Ausdruck, der ebenfalls auf Plinius des Älteren Naturalis historia zurück geht.

Wikipedia: Purpurschnecken.

Meeresschnecken als Währung


Kaurischnecken-Geld.
 
 
Kaurischnecke (Cypraea annulus). Quelle: Wikipedia.

In Afrika waren Kaurischnecken als Währung so lange im Umlauf, dass sie teilweise direkt in modernes Geld umgetauscht wurden. Ursprünglich kommt die Idee, Kaurischnecken als Zahlungsmittel zu verwenden, aber aus dem China des 12. vorchristlichen Jahrhunderts. Von dort aus breitete sich die Methode nach Indien aus (1. nachchristliches Jahrhundert), bis Kaurischnecken als Zahlungsmittel schließlich im 10. Jahrhundert nach Christus in Afrika nachgewiesen werden konnten. Zu Sindbads Zeiten (zur Regierungszeit des Abbasiden-Kalifen Harun al Raschid 763 – 809 n. Chr.) war die Bezahlung mit Kaurischnecken im Orient bereits an der Tagesordnung. Bis die Kaurischnecken als Zahlungsmittel durch europäische Händler schließlich Amerika erreichten, hatte sich die Währung in ganz Afrika verbreitet. In ihrer Verbreitung stellten die Kaurischnecken alle bekannten Münzen, selbst den bekannten österreichischen Maria-Theresien-Taler des 18. und 19. Jahrhunderts in den Schatten.

Der Vorteil, Kaurischnecken als Zahlungsmittel zu verwenden, lag auf der Hand – sie sind haltbar, schwer zu fälschen und ihre Zahl ist begrenzt. Doch auch hier schlug die Inflation zu: Bald mussten die Kaurischnecken säckeweise, zu Hunderten und Tausenden als Zahlungsmittel herhalten. Selbst im wissenschaftlichen Namen dieser Schnecken hat sich ihre Verwendung als Zahlungsmittel niedergeschlagen: Monetaria moneta (die Münze) und Monetaria annulus (der Ring). Bis ins 18. Jahrhundert stammte ein Großteil der als Zahlungsmittel eingesetzten Kaurischnecken von den Malediven und Lakkadiven des Indischen Ozeans.

Conchological Society of Britain and Ireland: Shell Money.

Weichtiere in der Kunst und Malerei


Nautilus-Pokal, Niederlande, ca. 1650.
 

Spätestens, als die Renaissance zu einer Rückbesinnung auf die Mythologie und Kunst der Antike führte, gewannen auch die Weichtiere wieder mehr Bedeutung als Kunstgegenstand und als Objekt der Malerei. Von Botticelli (1445 – 1510) ist das bereits angesprochene Gemälde "Die Geburt der Venus" bekannt. Zur damaligen Zeit, der Zeit der Entdeckungen, gelangten auch in zunehmendem Maße tropische Meeresschnecken in die Kabinette Europas. Aus vielen der damaligen Naturaliensammlungen sind die Grundstöcke der heutigen Naturhistorischen Museen entstanden.

 
Abraham Mignon (1640 – 1679) "Blumenstilleben mit Insekten
und zwei Schnecken", Ausschnitt.

Die Ausstellung "Die Entdeckung der Natur" im Naturhistorischen Museum in Wien hatte 2007 gleich mehrere Ausstellungsstücke vorzuweisen, die unter Verwendung von Weichtier-Schalen entstanden waren, darunter eine Lavabo-Garnitur von Abraham I. Pfleger, Augsburg, um 1585, aus Mördermuschel (Tridacna sp.) und Tritonshorn (Charonia tritonis), sowie einen Pokal aus der Schale eines Nautilus aus den Niederlanden um 1650. Die wenigen Arten von Nautilus sind bekanntlich die einzigen rezenten Schalen tragenden Kopffüßer.

Die Entdeckung der Natur. Naturalien in den Kunstkammern des 16. und 17. Jahrhunderts, Ausstellung im Naturhistorischen Museum Wien, 2007: .

In zunehmendem Maße tauchten Landschnecken auch in der Kunst des Stillebens auf. Aus der Vielzahl vergleichbarer Gemälde seien nur zwei erwähnt: Jan Davidsz de Heem (1606 – 1683) "Stilleben mit Früchten, Blumen, Pilzen, Insekten, Schnecken und Reptilien", sowie Abraham Mignon (1640 – 1679) "Blumenstilleben mit Insekten und zwei Schnecken".

Stilleben mit Schnecken.

Die Shankha-Schnecke

 
Hinduistischer Priester bläst während eines Festes auf einem Shankha.
Quelle: Wikipedia. Bild: Claude Renault.

In Indien ist das Shankha ein Symbol für den Erhalter-Gott Vishnu und seine Gefährtin Lakshmi, die Göttin des Reichtums. Aus der Shankha-Schnecke, der Meeresschnecke Turbinella pyrum, werden Trompeten hergestellt, die mit Schnitzereien verziert werden und auch Anwendung in religiösen Ritualen finden. Auch in der Kunst tritt das Shankha in Zusammenhang mit Vishnu auf, als Zeichen des Wassers steht es außerdem für die weibliche Fruchtbarkeit und für die heiligen Schlangen (Nagas). Turbinella pyrum, ein Vertreter der Turbinellidae (Caenogastropoda), ist eine meereslebende Raubschnecke, die im Indischen Ozean vorkommt.

Wikipedia: Shankha.
Jacksonville Shell Club: Turbinella pyrum (rechts und links gewundenes Exemplar).

Die Schnecke vom Grabstein

Abschließen möchte ich die vorliegende Seite noch mit einer persönlichen Note: Während meines Biologiestudiums wurde ich einmal von meinem Professor gefragt, was für eine (versteinerte) Schnecke er denn in der Hand halte. Meine Bestimmungsübungen waren nicht vom Erfolg gekrönt, bis ich aufgeklärt wurde, dass es sich um ein Schnecken-Ornament von einem Grabmal auf einem Pariser Friedhof handle…