Blauring-Kraken

 
Oben: Blauring-Krake ohne Warnfärbung.
   
  Unten: Der selbe Blauring-Krake mit Warnfärbung.

Photos: Jeff Dudas, Lines and Shadows.

Von Pilzen (und Frauen) heißt es, die schönsten seien die giftigsten. Auf gewisse Weise trifft dies auch auf Kraken zu. Gemeinsam ist den Kraken ihre Methode, die Beute zu erlegen, ein Ergebnis wahrscheinlich der Tatsache, dass ein Großteil der Nahrung von Kraken aus Krebstieren besteht, die ihrerseits dem Kraken mit den Scheren ernste Verletzungen zufügen können. Kraken ergreifen die Beute mit den Fangarmen, ziehen sie so schnell wie möglich in die Nähe der Mundöffnung, um ihr dort mit dem kräftigen Hornschnabel ein Loch in den Panzer zu beißen. Anschließend spritzen sie Speichelflüssigkeit in die Wunde, die den Organismus des Beutetiers innerhalb von Sekunden lähmt. Das liegt an einem Gemisch unterschiedlicher chemischer Substanzen, die die Speichelflüssigkeit der Kraken enthält.

Blauring-Kraken sind eine kleinere Krakengattung, mit einer Armlänge von etwa 10 cm, die im westlichen Pazifik zwischen der australischen Küste und den Inseln Südostasiens vorkommen. Sie fallen besonders durch eine gelbliche Färbung mit leuchtendblauen Ringen oder Streifen auf, der die Gattung den Namen verdankt. Oft ist die blaue Zeichnung jedoch bei ruhigen Tieren kaum zu sehen und tritt nur als Warnfärbung auf, wenn sich der Krake bedroht fühlt.

Von großer Bedeutung ist neben der schönen Zeichnung der Kraken die Tatsache, dass der Speichel der Blauring-Kraken hochgiftig ist. Er enthält Tetrodoxin, ein schnell wirkendes Nervengift, das die Synapsen in den Nervenleitungen zur willentlichen Muskulatur hemmt, so dass das Opfer gelähmt wird und nicht flüchten kann.

Bei den kleinen Krebstieren führt das Gift des Blauring-Kraken innerhalb weniger Sekunden zum Tod, beim Menschen dauert der Tod durch Lähmung der Atemmuskulatur wenige Stunden. In einem Fall in den 50er Jahren starb ein Mann 2 Stunden nachdem er sich einen Blauring-Kraken auf die Schulter gesetzt hatte, durch Atemstillstand. vergleiche: Literaturliste!: Norman, M.: "Tintenfischführer" (2000).

In einigen Fällen konnte durch künstliche Beatmung der Gebissene gerettet werden, nachdem das Gift nachgelassen hatte. Überlebende beschreiben die Wirkung des Giftes ähnlich wie Curare: Der gebissene bleibt bei vollem Bewusstsein, kann sich aber nicht bewegen.


Großer Blauring-Krake (Hapalochlaena lunulata).
Photo: Jeff Rosenfeld. Quelle: Vibrant Sea.

Das Tetrodoxin des Blauring-Kraken wird nicht vom Organismus des Kraken produziert, sondern ist ein Produkt symbiotischer Bakterien, die in den Speicheldrüsen des Kraken leben. Sie werden vom Muttertier auf die Eier übertragen, so dass schon die Gelege der Blauring-Kraken giftig sind. Ein ähnliches Gift enthalten Kugelfische (Tetraodontidae) und einige meereslebende Seitenkiemer-Nacktschnecken (Pleurobranchaea maculata).

Allgemein sind Blauring-Kraken eher scheue Tiere, die den Menschen meiden. Allerdings kommt es vor, dass Blauring-Kraken bei Ebbe in den Gezeitentümpeln bleiben, um dort nach Krabben zu jagen. Die kleinen Kraken verstecken sich auch oft unter und in herumliegendem Strandgut. Meist wurden Menschen aber dennoch nur gebissen, weil sie den Kraken geärgert hatten, um die schöne Färbung hervorzurufen. In Australien versuchen deshalb oftmals Hinweisschilder, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, keine Kraken aufzuheben. Auch Taucher sind wohlberaten, bei Tauchgängen in den Riffen des Westpazifik keine Kraken zu ärgern, denn der Biss eines Kraken geht normalerweise auch durch den Taucheranzug, im Falle einer Begegnung mit einem Blauring-Kraken kann dieser fatale Folgen für den Taucher haben.

Trotz ihres überaus wirkungsvollen Giftes sind auch die Blauring-Kraken nicht gegen die Nachstellungen ihrer Feinde gefeit. Ein Film von Roy L. Caldwell zeigt beispielsweise, wie ein Clown-Fangschreckenkrebs (Odontodactylus scyllarus) einen Blauringkraken angreift, tötet und frisst. Zum einen ist der Krake viel kleiner als der Fangschreckenkrebs, aber außerdem scheint auch sein Gift keine Wirkung zu zeigen: Es wird zur Zeit erforscht, wie die Resistenz des Fangschreckenkrebses entsteht (ein Blauringkrake enthält genug Tetrodoxin um mehrere Menschen zu töten). Ähnliche Giftresistenzen gibt es zum Beispiel bei Schlangen, die giftige Molche fressen.

Peacock Mantis Shrimp kills Blue-ringed Octopus: Film von Roy L. Caldwell auf youtube.com.

Zu den Arten der Gattung Hapalochlaena (Blauring-Kraken) gehören etwa zehn Arten, von denen einige hier kurz zusammen gefasst geschildert werden sollen.

Hapalochlaena lunulata (Großer Blauring-Krake).

Mit einer Größe von ca. 12 cm Länge, davon 7 cm Fangarme, gehört dieser Krake zu den größeren Vertretern der Gattung. Hapalochlaena lunulata ist im tropischen Westpazifik von den Philippinen bis Indonesien und von Papua Neuguinea bis nach Vanuatu verbreitet. Dort bewohnt diese Art Korallenriffe und jagt nach Krebstieren und kleineren Mollusken.


The Nature of Science: Deadly Blue-ringed Octopus.
Quelle: YouTube.
 

Im erregten Zustand erscheint der Körper des Kraken gelblich mit großen leuchtend blauen Ringen mit schwarzem unscharfem Hof. Manchmal ändern die Kraken aber ihre Farbe auch willentlich, was die Beschreibung etwas erschwert. Beim Versuch, sich zu paaren, steigt das kleinere Männchen auf das Weibchen und lässt sich einige Zeit von ihr mittragen. Während dessen versucht er, seinen Hectocotylus in ihre Mantelhöhle einzuführen. Dies erscheint eine kluge Strategie zu sein, da sie ihm überlegen ist, und es auch damit enden kann, dass das Männchen gefressen wird, sollte sie seine Annäherungsversuche falsch verstehen.

 
Großer Blauring-Krake (Hapalochlaena lunulata).
Photo: Jeff Rosenfeld. Quelle: Vibrant Sea.

Hapalochlaena fasciata (Südlicher Blaustrich-Krake).

Dieser Krake wird ungefähr so groß wie die zuvor geschilderte Art, seine Färbung unterscheidet sich aber etwas von dieser - der Mantel und der Eingeweidesack des Kraken sind nicht mit Ringen, sondern mit charakteristischen blauen, schwarz umgrenzten Strichen gezeichnet. Der Eingeweidesack ist oftmals zu einem Zipfel ausgezogen. Das Verbreitungsgebiet dieser Art liegt in den subtropischen Gewässern Ostaustraliens.

Dieser Krake ist ein Bewohner von Felsriffen und -küsten und kann bei Ebbe auch in Gezeitentümpeln gefunden werden. Es gibt einen belegten Todesfall in Sydney, der auf das Konto dieses Kraken geht, was wohl damit zusammenhängt, dass der Krake sich öfter in Küstennähe aufhält.

Hapalochlaena maculosa (Südlicher Blauring-Krake).

Diese Krakenart hat eine ähnliche Größe wie die zuvor genannten, jedoch anstatt einer Strichfärbung eine charakteristische Ringmusterung mit dickwandigen kleinen blauen Ringen. Ähnlich wie der Blaustrichkrake ist dieser ein Küsten- und Riffbewohner (bis 50 Meter). Am Strand verstecken sich die Kraken auch oft in herumliegenden Dosen und anderem Strandgut, um nachts nach Krabben zu jagen. Der Südliche Blauring-Krake hat einen funktionslosen Tintenbeutel und kann daher zur Verteidigung keine Tinte einsetzen. Angesichts von Gift und Warnzeichnung ist dies vielleicht auch gar nicht nötig.