Tintenschnecken oder Sepien (Sepiidae)


Gemeiner Tintenfisch (Sepia officinalis). Quelle: Wikipedia.
 
 
Schulpe der Gewöhnlichen Sepie (Sepia officinalis) an einem
Strand in Südengland. Bild: Trish Steel (Quelle).

Der Begriff "Tintenfische", unter dem die Sepien auch bekannt sind, ist einer jener irreführenden Begriffe aus der Umgangssprache, die sich dennoch kaum vermeiden lassen. Ebenso wie der Walfisch ist auch der Tintenfisch kein Fisch, sondern ein Kopffüßer, näher verwandt mit den Schnecken (was ihm die Bezeichnung "Tintenschnecke" eingebracht hat), als mit den Fischen, mit denen er nur den Lebensraum Meer gemeinsam hat.

Sepien gehören zu den Kopffüßern, die auch an der deutschen Nordseeküste zu finden sind. Am Strand findet man jedoch seltener einen lebenden Tintenfisch, sondern öfter die innere Schale der Sepia, die für die Gruppe der Tintenschnecken charakteristisch ist. Sie ist nämlich viel größer ausgebildet, als bei den Kalmaren. Man spricht bei der inneren Schale von Kopffüßern, besonders von Tintenschnecken, von einem Schulp. Er verleiht dem Tintenfisch Auftrieb (die Kalkschale der Sepien ist gekammert und von Lufträumen durchzogen). Vom Menschen wird der Schulp der Sepia als Schnabelwetzstein für Käfigvögel genutzt. Die Sepien selbst leben in der Nähe des Ozeanbodens, meist versteckt zwischen Seegras und anderer Unterwasservegetation, wo sie auf Nahrung lauern (s. u.). In der Nordsee und im Mittelmeer kommt die Gemeine Sepie, Sepia officinalis, vor. Im Roten Meer, aber auch im westlichen Indischen Ozean findet man die Pharaonen-Sepie, Sepia pharaonis. Die größte Sepia-Art ist die Riesensepie, Sepia apama, die im südlichen Australien verbreitet lebt. Sie erreicht eine Körpergröße (Mantel mit Schulp) von bis zu bis 50 cm. Man kann also von einer Gesamtlänge mit ausgestreckten Tentakeln von bis zu 1,5 Metern ausgehen. (Ebenso, wie bei Kalmaren, wird aber auch bei Sepien die Mantellänge als Richtlinie für die Größenangabe verwendet, da die Tentakel sehr dehnbar sind und den Wert leicht verfälschen).

Die Prachtsepie (z.B. Metasepia pfefferi) aus den Gewässern Indonesiens und der Philippinen macht ihrem Namen alle Ehre - mit ihrem bunten roten, gelben und braunen Äußeren lässt sie jede Gewöhnliche Sepie blass aussehen.


Prachtsepie. Mit freundlicher Genehmigung von Jeff Rosenfeld.
 

Systematisch gehören die Sepien zu den zehnarmigen Kopffüßern (Decapodiformes). Das ist normalerweise schwer zu erkennen, weil die Tentakel der Sepie in Ruhestellung in Taschen innerhalb der acht kurzen Fangarme eingezogen bleiben. Während Kalmare schnelle Schwimmjäger sind, die mit hohen Geschwindigkeiten durchs Wasser schießen, sind Sepien eher gemächliche Lauerjäger. Wenn eine Sepie eine Beute sieht, nähert sie sich ihr durch wellenförmige Bewegungen ihrer seitlichen Flossensäume und schnappt plötzlich mit den Tentakeln zu. Diese Bewegung ist meist so schnell, dass sie kaum zu sehen ist.

 
Gemeine Sepie (Sepia officinalis)  mit charakteristischer Zebra-Zeich-
nung im Aquarium von La Rochelle. Bild: Eric Walravens.

Anschließend wird die Beute in Reichweite der kurzen Fangarme gezogen, mit dem kräftigen Schnabel zerkleinert und gefressen. Sepien, wie die meisten anderen Kopffüßer, fressen vor allem Krustentiere und andere Weichtiere. Auch die Sepien spritzen lähmende Speichelflüssigkeit in die Beute, um sie ruhig zu stellen. Da sich Sepien vorwiegend visuell orientieren, haben sie große, gut ausgebildete Augen. Im Gegensatz zu Kalmaren und Kraken haben Sepien jedoch eine charakteristisch w-förmige Pupille. Wenn sie die Augen fast geschlossen hat, kann die Sepie aus zwei getrennten Pupillen sehen.

Von ihren nächsten Verwandten, den Kalmaren, unterscheiden sich die Tintenschnecken, außer durch die Größe ihres Schulps (der bei Kalmaren nur noch zu einer schmalen, hornartigen Struktur ausgebildet ist, dem so genannten Gladius) vor allem durch ihre Körperform, die an ihre anders geartete Lebensweise angepasst ist. Überdies verstecken sich Sepien oft auf dem Meeresboden, um Feinden zu entgehen oder Beute aufzulauern.

Daran angepasst ist die flache Körperform der Sepien. Im Gegensatz zu den caudalen Schwanzflossen der Kalmare haben Sepien einen an der ganzen Körperseite auf beiden Seiten verlaufenden Flossensaum, durch dessen wellenförmige Bewegung die Sepie meist angetrieben wird. Zusätzlich können auch die Sepien den kopffüßertypischen Antrieb nutzen, bei dem Wasser aus der Mantelhöhle durch den Sipho gepresst wird und der Tintenfisch so rückwärts davon getrieben wird. Anders z.B. aber als die Kalmare nutzen Sepien diesen Rückstoßantrieb nur auf kurze Entfernungen, z.B. um sich zurück zu ziehen.

Anstatt mit hoher Geschwindigkeit zu flüchten, nutzen Sepien eher ihre Möglichkeiten zur Tarnung, um sich vor Feinden zu schützen. Die flach gebauten Tintenfische können sich blitzschnell im weichen Meeresboden eingraben. Zusätzlich besitzen sie die Fähigkeit, durch die Farbzellen (Chromatophoren) in ihrer Haut ihre Farbe schnell zu ändern und sich der Umgebungsfarbe anzupassen. Außerdem können Sepien auch noch ihre äußere Form verändern, um sich z.B. in der umgebenden Vegetation zu tarnen. Dazu können sie einzelne Hautzotten ausfahren und so ihren Umriss verändern.

 
 
Discovery News: Cuttlefish - Chameleons of the Sea. Quelle: YouTube.

Die äußere Färbung der Sepien hat nicht nur Bedeutung für ihre Tarnung. Sie drückt auch die Gemütsstimmung der Sepie aus. Besonders beim Paarungsvorspiel und bei anderweitigen Auseinandersetzungen sind die Farbenspiele der Sepien zu bewundern.

Besonders an der deutschen und holländischen Nordseeküste treffen sich jedes Jahr hunderte Sepien zur Paarung. Die Männchen signalisieren den Weibchen ihre Paarungsbereitschaft, indem sie zwei Arme heben. Hebt der Gegenspieler ebenfalls zwei Arme, signalisiert er dadurch, dass er auch ein Männchen ist. Die beiden Männchen beginnen dann, sich in lebhaften Farbenspielen zu "duellieren", bis einer der beiden Konkurrenten das Feld räumt. Die lebhafte Zebrafärbung, in der die Gemeine Sepie meist dargestellt wird, signalisiert dem Weibchen die Paarungsbereitschaft des Männchens. Besonders faszinierend: Während eine männliche Sepie auf einer Körperseite einem Weibchen Paarungsbereitschaft signalisiert, kann es auf der anderen Körperseite einem anderen Männchen Kampfbereitschaft signalisieren. Bei manchen Sepia-Arten kommt es während der Paarungszeit auch zu Auseinandersetzungen zwischen Männchen, bei denen die Männchen versuchen, sich gegenseitig weg zu schieben oder auf den Rücken zu legen, um so ihre körperliche Überlegenheit zu demonstrieren. Manchmal wird der Gegner auch kräftig gebissen, meist jedoch zieht sich der Unterlegene unter Verspritzen von Tinte rechtzeitig zurück.

Die Paarungszeit der Sepien fällt in der Nordsee ins Frühjahr, wenn das Küstenwasser wärmer als 10° wird. Etwa um Ostern erscheint eine Vielzahl von Sepien in der Oosterschelde (einem Ästuar an der holländischen Nordseeküste), um sich dort zu paaren. Die Männchen tragen die Paarungskämpfe untereinander aus, wenig später paaren sich die Männchen und Weibchen, wobei sie ihre kurzen Fangarme ineinander verschränken.


Sepien bei der Paarung im Georgia Aquarium.
Quelle: Wikipedia.
 
 
Eikapseln der Gemeinen Sepie (Sepia officina-
lis
). Bild: Roberto Pillon.

Das Männchen überträgt dem Weibchen dabei mit einem der acht Arme eine Spermatophore in eine Speichertasche unter der Mundöffnung. Bei der Paarung legen manche Sepien eine interessante Form der Konkurrenz an den Tag. Während manche Arten die Speichertasche des Weibchens mit einem Wasserstrahl ausspülen, um Samenzellen etwaiger anderer Männchen zu entfernen, haben andere Sepia-Arten modifizierte Armspitzen, mit denen sie die Speichertasche des Weibchens "ausräumen" können, bevor sie ihre eigene Spermatophore dort ablegen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Männchen bald nach der Paarung und das Weibchen nur wenige Zeit nach der Eiablage sterben, ist eine solche Form der Optimierung der Vererbungschancen des eigenen Genmaterials mehr als nachvollziehbar.

Im Allgemeinen kurz nach der Paarung beginnt das Weibchen mit der Eiablage. Manchmal bewacht das Männchen das Weibchen bis zur Eiablage, um sicherzustellen, dass die von ihm befruchteten Eier (im Idealfalle nur diese) auch gelegt werden. Die Eier der Sepie sind von einer widerstandsfähigen etwa kissenförmigen Kapsel umgeben, die bei manchen Arten mit Tinte schwarz gefärbt ist. Das Gelege wird sich selbst überlassen, bis, z.B. bei Sepia pharaonis, 19 Tage später die jungen Sepien schlüpfen, die etwa 10 mm groß und voll entwickelt sind.

Sepien sind unter den vom Menschen am meisten genutzten Kopffüßern. Während der schon erwähnte Schulp als Wetzstein und Calciumquelle für Käfigvögel dient, wurde die Tinte der Sepia früher in verdünnter Form als braune Farbe beim Malen verwendet. Bekannt sind auch die "sepia-braunen" Fotografien aus der Frühzeit der Fotografie. Heute wird die Tinte der Sepia außer in der Kosmetikindustrie vor allem als Lebensmittel eingesetzt: Die dunkle Farbe der Spaghetti "Seppia" rührt von beigemengter Sepia-Tinte her. Die Hauptnutzung der Sepia findet aber durch die Fischerei statt - Sepien werden als Delikatesse geschätzt und kommerziell gefischt oder mit Lanzen aufgespießt.

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