![]() Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea), ausgewachsenes Exemplar. Bild: Jim Miller, Jacksonville Shell Club. |
Film: The Totaly Adorable "Rosy Wolfsnail" (Florida in Your Backyard). Video von Jesse King auf YouTube. |
Die Wolfsschnecken gehören zur vorwiegend neotropischen Landschneckenfamilie Oleacinidae (vgl. Systematik), deren Verbreitungsgebiet von Südamerika über Mittelamerika bis in die südöstlichen Vereinigten Staaten reicht, mit einigen Vertretern aber auch das Mittelmeergebiet besiedelt hat.
In Florida trifft man z.B. die etwa 10 cm lange rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea) an. Die Wolfsschnecke ist eine Raubschnecke, die im Gegensatz zu den meisten anderen Raubschnecken ein spezialisierter Schneckenfresser ist.
Betrachtet man den Kopf einer Wolfsschnecke nun aber näher, so fällt auf, dass sie sechs Fühler zu haben scheint: Man kann deutlich die zwei großen Augenträger und das typische kleine Fühlerpaar erkennen, sowie darunter liegend ein weiteres Fühlerpaar. Tatsächlich handelt es sich dabei nicht um Fühler, sondern um die stark verlängerten Lippen der Schnecke. Die Lippen einer Landschnecke sind mit vielen chemischen Sinneszellen besetzt, mit denen die Schnecke den Untergrund auf Geschmack untersuchen kann. Im Falle der Wolfsschnecke dienen die stark verlängerten Lippen dem Tier zum Aufspüren seiner Beute. Die Wolfsschnecke verfolgt andere Schnecken nämlich entlang ihrer Spur, ebenso, wie ein Wolf eine Beute entlang deren Geruchsspur folgt. Allerdings folgt die Schnecke ihrer Beute mittels des Geschmackssinns. Anhand der Schleimspur kann die Wolfsschnecke auch unterscheiden, ob sie einen Artgenossen oder eine Schnecke einer anderen Spezies, also eine potentielle Beute, verfolgt.
Bei der Verfolgung ihrer Beute bewegt sich die Wolfsschnecke nicht im sprichwörtlichen Schneckentempo, sondern mit der zwei- bis dreifachen Geschwindigkeit einer normalen Landschnecke fort. Sie verfolgt ihre Beute auf Bäume und sogar kurze Strecken unter Wasser.
Die Wolfsschnecke ist nicht nur ein Schneckenfresser, sie ernährt sich sogar
kannibalisch, schon frisch geschlüpfte Jungtiere fressen Eier und kleinere
Geschwister. Allgemein bevorzugt die Wolfsschnecke kleinere Schnecken, die sie
mitsamt dem Gehäuse verschlingen kann. Der Nutzen für die Raubschnecke liegt auf
der Hand: Das Gehäuse der Beute versorgt die Wolfsschnecke gleichzeitig mit Kalk
zum Bau des eigenen Gehäuses. Der amerikanische Malakologe Harry G. Lee
(
Malakologie) berichtet, dass er bei der Präparation eines mittelgroßen Exemplars von
Euglandina rosea nicht weniger als 13 Schneckenschalen vorgefunden hat. ("Shells
are where you find them").
![]() Euglandina frisst eine Bradybaena similaris. Bild: Bill Frank, Jacksonville Shell Club. |
![]() Euglandina rosea auf dem Titelblatt von Science (Vol. 285, Sept. 99). Quelle: R.H. Cowie. |
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Chin Frank: Euglandina rosea Rosy Wolfsnail vs. Triodopsis hopetonensis Magnolia Threetooth Snail: YouTube-Video. | |
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theMolluskMan: Euglandina rosea (Rosy Wolf Snail) on the hunt!: Rosige Wolfsschnecke frisst mehrere kleine Landschnecken. YouTube-Video. Hinweis: Detaillierte und recht brutale Darstellung! |
Wolfsschnecken fressen auch Nacktschnecken. Bei Untersuchungen hat man festgestellt, dass Ackerschnecken (Deroceras) dem Angriff einer Wolfsschnecke durch hektische Bewegungen der Schwanzspitze entgehen können. Wenn es der Wolfsschnecke nicht gelingt, die Beute mit der Radula zu packen, kann diese vielleicht rechtzeitig entkommen. Im gezeigten Beispiel greift die Wolfsschnecke die Ackerschnecke daher vom Kopf her an.
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Jacksonville Shell Club (Jaxshells): Euglandina rosea hunting a meadow slug: Euglandina rosea jagt und frisst einen Wasserschnegel (Deroceras laeve). Bilderserie. |
Vom Menschen wurde die rosige Wolfsschnecke als biologische Waffe gegen die ebenfalls eingeschleppten großen afrikanischen Landschnecken (Achatina fulica) auf mehreren pazifischen Inseln (Hawaii, Marianen, Polynesien) eingeführt. Anstatt die großen Landschnecken zu fressen, die dort durch die Vernichtung größerer landwirtschaftlicher Flächen zu einem Problem geworden war, jagten die Wolfsschnecken jedoch bevorzugt die kleineren endemischen Baumschneckenarten (Partula, Achatinella u. a.), die ehr zu ihrem Beuteschema kleinerer Landschnecken gehörten.
Die meist kleinen Populationen endemischer Baumschnecken hatten diesem erhöhten Selektionsdruck durch die Raubschnecke nichts entgegenzusetzen.
Heute sind viele Baumschneckenarten, mit Ausnahme
einiger Populationen in Zoos, ausgestorben, einige müssen als unwiederbringlich
verloren angesehen werden. Mit dem Wissen um das Fressverhalten amerikanischer
Wolfsschnecken hätte man eigentlich imstande sein müssen, die ökologischen
Folgen der Einschleppung von Wolfsschnecken in neue Ökosysteme abzuschätzen.
Die
lokalen Behörden ließen den Ratschlag besorgter Malakologen (
Malakologie) und Ökologen jedoch
außer Acht. Inzwischen gibt es Versuche mehrerer europäischer und amerikanischer
Zoos, im Zoo gezüchtete bedrohte Partula-Baumschnecken wieder in ihren
natürlichen Lebensräumen, z.B. auf der Insel Tahiti, auszusetzen.
Weiterführende Informationen:
Harry G. Lee: Shells
are where you find them.
Jim Miller, Bill Frank: Rosy
wolf snail (Euglandina rosea) - A Pictorial.
Major Biology:
This Snail
is Destroying Hawaii's Ecosystems. YouTube-Video.
Zwei
Wolfsschnecken bei der Paarung. Bild: Bill Frank,
Jacksonville Shell Club.
Systematik und verwandte Arten
![]() Eine Raubschnecke der Gattung Streptostyla aus Honduras. Bild: John Slapcinsky, Quelle: Flickr. |
Unterklasse:
Pulmonata![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
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Systematische Einordnung laut Fauna Europaea (Bank, R., 2011) |
Die rosige Wolfsschnecke gehört zur Überfamilie Testacelloidea, zusammen mit zahlreichen anderen Raubschneckenarten, die im Mittelmeerraum, vor allem aber in Nord-, Mittel- und Südamerika vorkommen. Sehr vereinfachend wird die Familie Oleacinidae auf Deutsch als "Raubschnecken" bezeichnet, aber natürlich sind diese Schnecken keineswegs die einzigen fleischfressenden Landschnecken.
Wie der Überfamilienname Testacelloidea vermuten lässt, sind sie aber verwandt mit den Rucksackschnecken der Gattung Testacella, die vor allem in Westeuropa vorkommen. Im Gegensatz zu diesen Halbnacktschnecken, die ihren winzigen Schalenrest wie einen Rücksack auf dem Ende des Rückens tragen, können sich die Oleacinidae in ihre große, verlängerte Schale vollständig zurück ziehen.
Unter den europäischen Gattungen der Familie Oleacinidae finden sich beispielsweise die mediterranen Raubschnecken der Gattung Poiretia, darunter die dalmatinische Raubschnecke (Poiretia cornea). Sie teilen sich mit den Wolfsschnecken der Gattung Euglandina (von der weitere Arten weiter südlich, in Mittelamerika, vorkommen) eine Unterfamilie. Eine weitere Unterfamilie sind die Streptostylinae aus Mittelamerika und dem nahe gelegenen Südamerika (siehe Bild oben), deren äußere Ähnlichkeit mit den Euglandininae augenfällig ist.
Interessanterweise besitzen zwar sowohl die Euglandininae, als auch die Streptostylinae, die charakteristisch zu einem dritten Fühlerpaar ausgezogenen Lippen, nicht aber die europäische Gattung Poiretia.
Augenscheinlich besteht nicht wirklich Einigkeit über die systematische Anordnung der genannten Schneckengruppen. Während eine Seite, wie die Malakologen R. Bank auf Fauna Europaea, und F. Welter-Schultes auf AnimalBase, an der oben dargestellten Einordnung festhält, wird besonders auf amerikanischen Seiten eine andere, von Thompson 2010 veröffentlichte, Richtung vertreten, nach der die Unterfamilien Euglandininae und Streptostylinae laut H. B. Baker (1962) zu den Spiraxidae zu zählen sind, zu denen auch die eigentliche Unterfamilie der Spiraxinae gehört.
Links: Abgerufen: 09.09.2022.
AnimalBase:
Poiretia genus homepage.
Fauna Europaea:
Oleacinidae.
Wikipedia (englische Version):
Spiraxidae.
Literatur:
Thompson,
F. G. (2010): "Four species of land snails from Costa Rica and Panama
(Pulmonata: Spiraxidae)". Revista de Biología Tropical 58 (1): 195-202.