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Glanzschnecken (Zonitidae u. a.)


Riesenglanzschnecke (Zonites algirus). (Quelle).
 

Der Name Glanzschnecken rührt vom glänzenden, oft durchscheinenden Gehäuse der Schnecken in dieser Familie her. Darüber hinaus ist die Familie sehr vielgestaltig. Während das scheibenförmige bis gedrückt kegelförmige, glänzende und meist glatte Gehäuse den Glanzschnecken gemein ist, können Glanzschnecken sehr klein bis groß sein.

Die größte einheimische Glanzschnecke ist die Wirtelschnecke (Aegopis verticillus), die auch als Riesenglanzschnecke bezeichnet wird und deren Gehäuse bis zu 30 mm groß werden kann, also so groß, wie eine kleine Weinbergschnecke.

Auf dem südlichen Peloponnes, nahe liegenden griechischen Inseln, der Küste Kleinasiens, und interessanterweise in Südfrankreich und Süditalien, kommt die echte Riesenglanzschnecke (Zonites algirus) vor, dessen Gehäuse sogar bis zu 50 mm breit werden kann.

 
Glanzschnecke (Aegopinella nitens) greift eine Laubschnecke
(Petasina unidentata) an.
Bild: © Stefan Haller, (schneckenfoto.ch).

Während die Glanzschnecken sich, im Gegensatz z.B. zu vielen Glasschnecken (Vitrinidae), vollständig in ihr Gehäuse zurück ziehen können, gibt es auch bei ihnen Ansätze zur Vitrinisierung, also zur Rückbildung des Gehäuses zugunsten größerer Beweglichkeit und auf Kosten der Schutzwirkung. Die nahe verwandte Familie der räuberischen Daudebardien (Daudebardiidae) hat die Vitrinisierung bereits zu einem fortgeschrittenen Maße erreicht - Daudebardien sind Halbnacktschnecken, die sich in ihr winziges Gehäuse, das sie am Fußende tragen, nicht mehr zurück ziehen können.

Der Schwerpunkt der Artenvielfalt liegt in Südosteuropa, wo Glanzschnecken vor allem in feuchten Bereichen der Gebirge, in Felsspalten und Geröllfeldern vorkommen.

Unter den Glanzschnecken sind viele nahezu ausschließliche Raubschnecken, die anderen Schnecken, aber auch Regenwürmern, nachstellen. Andere Arten fressen auch zerfallendes pflanzliches Material oder Aas. Nicht nur die Jungtiere fressen gerne auch die Gelege anderer Schnecken.

Systematik

In älteren Systematiken zählen alle Glanzschnecken zur Familie Zonitidae, die wiederum zur Überfamilie der Glaschneckenverwandten (Vitrinoidea) gehört, zusammen mit den Glasschnecken (Vitrinidae).

Tafel: Glasschneckenverwandte (Vitrinoidea).

Heute werden die Glanzschnecken systematisch in mehrere Familien aufgeteilt, die zu zwei verschiedenen Überfamilien gezählt werden:

Überfamilie Zonitoidea

Familie Zonitidae
Gattung Zonites
Gattung Aegopis

Überfamilie Gastrodontoidea

Familie Oxychilidae
Unterfamilie Oxychilinae
Gattung Oxychilus
Unterfamilie Godwiniinae
Gattung Aegopinella
Unterfamilie Daudebardiinae
Gattung Daudebardia

Familie Pristilomatidae
Gattung Vitrea

Quelle: Fauna Europaea auf http://www.faunaeur.org.

Daudebardien (Daudebardiinae)

ZONITOIDEA

Familie Zonitidae

 
Wirtelschnecke (Aegopis verticillus) am Wilhelminenberg in
Wien. Bild: Robert Nordsieck.

Zu den Glanzschnecken i. e. S. gehören die Kielglanzschnecken (Aegopis) und die Riesenglanzschnecken (Zonites).

Wirtelschnecke (Aegopis verticillus).

GASTRODONTOIDEA

Familie Oxychilidae

Unterfamilie Godwiniinae

Zu den Godwiniinae gehören von den einheimischen Gattungen neben den Streifenglanzschnecken (Nesovitrea) auch die Gattungen Aegopinella und Retinella. Diese werden auf Deutsch wegen des wachsartigen Glanzes ihres Gehäuses (eine Folge der mikroskopischen Oberflächenstruktur des Gehäuses vieler Arten) auch als Wachsschnecken bezeichnet (vgl. Turner et al. 1998), um sie von den Glanzschnecken (z.B. Oxychilus) zu unterscheiden.

Weitmündige Wachsschnecke - Aegopinella nitens (Michaud 1831)


Weitmündige Wachsschnecke (Aegopinella nitens).
Bild: © Stefan Haller, (schneckenfoto.ch).
 

Beschreibung: Die weitmündige Wachsschnecke besitzt ein hell bräunlich hornfarbenes Gehäuse. Dessen Gewinde ist flach kegelig, die Gehäusespitze ist nicht konvex (Unterscheidung zur etwas kleineren Aegopinella nitidula). Die Seitenlinien der leicht gerundeten Umgänge ist fast flach. Vor der Mündung weitet sich der letzte Umgang deutlich (daher der Name), so dass er etwa dreimal so breit wie der vorige Umgang wird. Er ist abgeflacht und an der Mündung nicht absteigend. Die Mündung ist nur wenig schief. Der Nabel des Gehäuses (Umbilicus) ist weit und trichterförmig.

Maße: H: 4 - 5,5 mm; B: 8 - 11 mm (in den Alpen bis zu 14 mm); U: 4 - 4½. Information: Abkürzungen

Lebensraum und Verbreitung: Weitmündige Wachsschnecken leben in der Blattstreu und unter Steinen in feuchten Wäldern, sowohl im Tal, als auch an den Berghängen. Aegopinella nitens bevorzugt kalkreichen Untergrund, besonders in submontaner und montaner Höhenlage. Zudem ist Aeopinella nitens eine feuchtigkeitsliebende (hygrophile) Art, die in der Schweiz trockene sonnige Klimate, wie im Unterwallis und im Engadin, meidet.

 

Die weitmündige Wachsschnecke ist in den Alpen, den westlichen Karpaten, den deutschen und tschechischen Mittelgebirgen verbreitet. Der nördlichste Fundort liegt bei Bad Pyrmont im südlichen Niedersachsen. In den Alpen ist Aegopinella nitens bis in einer Höhe von 2300 m NN zu finden, tritt aber selten oberhalb von 1500 m NN auf.

  Bild rechts: Genitalapparate von Aegopinella nitens (links) und Aegopinella nitidula (rechts) im Vergleich. Beschriftung: ga: Eiweißdrüse; dh: Zwittergang; u: Uterus; ov: Ovidukt; vd: Vas deferens; e: Epiphallus; pd: Penis, distal; pp: Penis, proximal; v: Vagina; bc: Bursa copulatrix; a: Atrium; mr: Penisretraktor. (vgl. Organe des Genitalapparats).
Quelle: Horsàk, M.; Juřičkovà, L.; Beran, L.; Čejka, T.; Dvořàk, L.: Annotated list of mollusc species recorded outdoors in the Czech and Slovak Republics. Malacologica Bohemoslovaca (2010), Suppl. 1: 1–37.

Bedrohungssituation: In Niedersachsen ist die weitmündige Wachsschnecke als stark gefährdet eingestuft  ( vgl. Gefährdungskategorien gemäß Roter Liste).

Francisco Welter-Schultes: Aegopinella nitens species homepage.
Mollbase: Weitmündige Glanzschnecke (Aegopinella nitens).

Rötliche Wachsschnecke - Aegopinella nitidula (Draparnaud 1805)


Rötliche Glanzschnecke (Aegopinella nitidula).
Bild: Kristiina Ovaska. Quelle: CalPhotos.
 

Beschreibung: Wie der Name schon sagt, besitzt die Rötliche Wachsschnecke ein rötlich bernsteinfarbenes Gehäuse das nahe dem Nabel (Umbilicus) milchig weiß wird. Die Umgänge des Gehäuses nehmen regelmäßig zu und sind gerundet und die Gehäusespitze (Apex) ist (im Gegensatz zu Aegopinella nitens) konvex erhoben. Der letzte Umgang ist wenig erweitert, der Nabel ist weit.

Maße: H: 4 - 6 mm; B: 6 - 11; U: 3,5 - 4,5. Information: Abkürzungen

Lebensraum und Verbreitung: Die Rötliche Wachsschnecke lebt in der Bodenstreu zahlreicher geschützter Lebensräume, in Laub- und Nadelwald, am Fuß von Felsen und Mauern, auf feuchten Wiesen, in Gärten und am Wegrand. Aegopinella nitidula ist weitgehend unempfindlich gegen menschliche Einflüsse.

 
Weitmündige Wachsschnecke (Aegopinella ni-
tens
). Bild: Helmut Nisters

Aegopinella nitidula lebt zum größten Teil von zerfallendem Pflanzenmaterial. Allerdings lebt sie auch räuberisch, sie stellt kleineren Gehäuseschnecken (bis zu einem Durchmesser von 4,5 mm) und Nacktschnecken (bis zu einer Länge von 17 mm) nach. Auch Regenwürmer und andere Würmer werden von der Rötlichen Glanzschnecke gerne gefressen.

Das Verbreitungsgebiet der Art erstreckt sich von den Azoren über Nordspanien, die Britischen Inseln und Frankreich bis nach Norddeutschland, Nordpolen und den Süden Skandinaviens. In Nordamerika, z. B. in British Columbia (Kanada) ist die Rötliche Glanzschnecke inzwischen eingeschleppt worden.

Francisco Welter-Schultes: Aegopinella nitidula species homepage.
Mollbase: Rötliche Glanzschnecke (Aegopinella nitidula).
Forsyth, R. G.; Hutchinson, J. M. C.; Reise, H. (2001): Aegopinella nitidula (Draparnaud 1805) (Gastropoda: Zonitidae) in British Columbia - first confirmed North American record. Am. Mal. Bull. 16: 65 - 69 (PDF).

Kleine Wachsschnecke - Aegopinella pura (Alder 1830)


Kleine Glanzschnecke (Aegopinella pura).
Bild: © Stefan Haller, (schneckenfoto.ch).
 

Beschreibung: Die Kleine Wachsschnecke hat ein dünnwandiges, fast durchsichtiges, schwach glänzendes Gehäuse, dessen Oberfläche eine von einem Netz feiner Längslinien bedeckt ist, die von unregelmäßigen Querlinien gekreuzt werden (Mikroskop, Vergrößerung 35 - 40×). Die Umgänge des Gehäuses sind gewölbt, das Gewinde ist flach kegelig. Der letzte Umgang ist auf die Mündung zu wenig erweitert und fällt nahe der Mündung nicht ab. Nach oben ist er abgeflacht. Der Nabel ist weit, trichterförmig (fast ¼ des Gehäusedurchmessers) und leicht außerhalb des Mittelpunktes.

Maße: B: 3,5 - 5,0 mm; H: 2,0 - 2,7 mm; U: 3¾ - 4¼. Information: Abkürzungen

Lebensraum und Verbreitung: Die Kleine Wachsschnecke lebt in der Laubstreuschicht. Man findet sie um Pflanzen herum und unter Totholz in mäßig trockenen Wäldern im Gebirge und im Flachland, vor allem auf kalkreichem Untergrund. Die Paarung findet im Frühjahr statt, die ausgewachsenen Tiere sterben nach der Eiablage ab. Die Jungtiere werden nach zwei Jahren geschlechtsreif.

  Schwer, H. (1994). Populationsbiologie kleiner laubstreubewohnender Landgastopoden: Lebenszyklus und saisonale Abundanzdynamik am Beispiel von Aegopinella pura (Alder 1830). - Mitt. Dt. Mal. Ges. 54: 13-14.

Das Verbreitungsgebiet der Kleinen Wachsschnecke erstreckt sich von Island über Mitteleuropa bis in den Nordiran, in Skandinavien vorwiegend an der Küste. Die Kleine Wachsschnecke kommt zwar in Festland-Italien und Sardinien vor, fehlt aber in Sizilien. Ebenso fehlt sie in der Südtürkei. Aegopinella pura kommt im ganzen Alpengebiet einschließlich der Vorländer vor, ebenso in den Karpaten und ihren östlichen Ausläufern. In der Schweiz ist die Kleine Wachsschnecke bis in einer Höhe von 2300 m NN zu finden.

Francisco Welter-Schultes: Aegopinella pura species homepage.
Mollbase: Aegopinella pura.

Südalpen-Wachsschnecke - Retinella hiulca (Albers 1850)

 
Südalpen-Wachsschnecke (Retinella hiulca).
Bild: © Stefan Haller, (schneckenfoto.ch).

Beschreibung: Die Südalpen-Wachsschnecke wird größer als die einheimischen Aegopinella-Arten. Das Gewinde des Gehäuses ist relativ hoch, der Nabel ist eng. Der letzte Umgang ist erweitert und abgesenkt, die Umgänge sind gerundet (konvex). Die Schnecke ähnelt Aegopinella ressmanni, einer großen Aegopinella-Art, allerdings ist sie noch größer. Ihr Gehäuse ist glänzender und weist keine deutlichen Wachstumsstreifen auf, ebenso wenig, wie die Netz-Skulptur, die man auch bei der Kleinen Wachsschnecke (Aegopinella pura) findet.


Südalpen-Wachsschnecken (Retinella hiulca), Paarung.
Bild: © Stefan Haller, (schneckenfoto.ch).
 

Maße: B: 10 - 14 mm; H: 6 - 7 mm; U: 4 - 4½. Information: Abkürzungen

Lebensraum und Verbreitung: Auch Retinella hiulca ist ein Bewohner der Laubstreuschicht. Die Art ist auf kalkreichem Untergrund in Wäldern, an schattigen Hängen mit Strauchvegetation, in Weinbergen zwischen Steinen, sowie in der Vegetation im Uferbereich der Bäche unter Steinen zu finden. Im Gegensatz zu Aegopinella pura lebt Retinella hiulca aber nur in Höhen bis 1100 m NN.

Wie der Name schon sagt, erstreckt sich das Verbreitungsgebiet der Südalpen-Wachsschnecke über die Südalpen der Schweiz (Südlicher Tessin, fast ausschließlich im Sottoceneri; Fundorte im Sopraceneri beruhen wahrscheinlich auf Einschleppungen) und Norditaliens (Lago Maggiore bis Comer See und Südrand der lombardischen Alpen).

Francisco Welter-Schultes: Retinella hiulca species homepage.
Mollbase: Retinella hiulca.

Fortsetzung: Glanzschnecken Teil 2: Unterfamilie Oxychilinae.


Mit Bildern von Stefan Haller:
http://www.schneckenfoto.ch.