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Schnecken mit Solarantrieb

Elysia viridis
Elysia viridis. Dieses etwa 1 cm großes Jungtier besitzt bereits Chloroplasten.
Bild: Marc Cochu, Nature 22: Gastéropodes 4.
 

Die Natur ist voller interessanter Phänomene, bei denen Tiere sich Eigenschaften ihrer Beute zu Eigen machen. So gibt es zahlreiche Meeresnacktschneckenarten, die Nesselzellen der Quallen, die sie fressen, in ihre Rückenanhänge transportieren und anschließend zu ihrer eigenen Verteidigung nutzen.

Was Tiere allgemein nicht können, ist Photosynthese zu betreiben, eine Fähigkeit, die grundsätzlich und per Definition auf Pflanzen beschränkt ist. Photosynthese geschieht normalerweise mittels besonderer Zellorganelle, der Chloroplasten (Blattgrünkörperchen), in denen Kohlendioxid (CO2) verbraucht wird und Sauerstoff (O2), sowie Glucose entstehen. Währen der Sauerstoff üblicherweise an die Umwelt abgegeben wird (der Grund, weshalb unsere Atmosphäre aus 21% Sauerstoff besteht), nutzt die Glucose der Zelle als Nahrung. Wie nun bereits erwähnt, haben Tiere diese Fähigkeit nicht, aus diesem Grund müssen sie Pflanzen oder gegebenenfalls auch andere Tiere fressen, um sich mit Nährstoffen zu versorgen.

Manche Tierarten lösen das Problem unter anderem mit symbiotischen Algen, den so genannten Zooxanthellen, die ebenfalls Nährstoffe produzieren. Man findet sie beispielsweise auch im Mantel von Riesenmuscheln (Tridacnidae).

 
Chloroplasten in der Blattspreite des Laubmooses Plagiomnium
affine
. Bild: Kristian Peters.

Eine andere Strategie zeigen die Meeresnacktschnecken der Gattung Elysia. Elysia gehört nicht zu den Nacktkiemern (Nudibranchia), die Nesselzellen sammeln, innerhalb der Hinterkiemer (Opisthobranchia)  gehört sie zu den Sackzünglern (Sacoglossa). Diese ernähren sich vorwiegend dadurch, dass sie Pflanzenzellen anstechen und aussaugen.

Das Erstaunliche ist: Elysia ist, ebenso wie ihre Nahrung, grün! Die Schnecke gewinnt bei der Nahrungsaufnahme unter anderem auch die Chloroplasten dieser Zellen und nutzt sie im eigenen Körper. Dabei lagert sie die Chloroplasten in ihren Darmanhängen ein und nutzt die Photosynthese zur Gewinnung zusätzlicher Nährstoffe. Man bezeichnet dieses Phänomen als Kleptoplastie.

Natürlich kann Elysia diese Chloroplasten aber nicht selbst bilden - sie muss sie aus einer Pflanzenzelle gewinnen: Die Art Elysia chlorotica zum Beispiel lebt entlang der nördlichen Ostküste der USA und frisst dort Meeresalgen (Vaucheria litorea), aus deren Zellen sie die Chloroplasten erhält. Die Jungtiere, die noch keine Chloroplasten besitzen, sind bräunlich mit roten Tupfen.

 
Zwei Filme über Elysia chlorotica. Links: Jungtier erwirbt seine ersten Chloroplasten. Rechts: Ausgewachsenes Exemplar bei der Nah-
rungsaufnahme. Quelle: YouTube.com.

Im nordöstlichen Atlantik, von Norwegen bis zum Mittelmeer, lebt hingegen Elysia viridis. Diese Verwandte der amerikanischen Art versorgt sich auf ähnliche Weise mit Chloroplasten, allerdings lebt sie von einer anderen Algenart - Codium fragile.

Elysia viridis
Elysia viridis bei der Eiablage. Bild: Florence Gully, Nature 22: Gastéropodes 4.
 

Wikipedia: Elysia viridis.

Während die Schnecken zwar selbst keine Chloroplasten bilden können, müssen sie diese auch nicht immer nachfüllen - sie sind dazu in der Lage, die Chloroplasten, obwohl sie von einem ganz anderen Organismus stammen und vom Baumplan her gar nicht in eine tierische Zelle "passen", in ihrem Körper so zu erhalten, dass sowohl die Funktion, als auch die Feinstruktur der Organelle erhalten bleibt. Dies erscheint nach neueren Erkenntnissen erst möglich, wenn Elysia unterstützende Gene besitzt, die Photosynthese ermöglichen. Die wiederum kann sie nur durch horizontalen Gentransfer von den Pflanzenzellen erhalten haben. 

Und dies nun ist sehr ungewöhnlich, denn zwar kommt es im Tierreich oftmals zu horizontalem Gentransfer, also zur Genübertragung zwischen Arten, aber normalerweise sind die fremden Gene in den neuen Zellen nicht funktionsfähig. Und besonders ungewöhnlich ist dies bei einem Gentransfer zwischen einer Pflanze und einem Tier.

Das entsprechende Gen ist inzwischen auch schon gefunden worden und wird an die Nachkommen vererbt, die zwar immer noch zunächst Chloroplasten aufnehmen müssen, diese aber in ihrem Körper weiter erhalten können.

Weiterführende Informationen

Literatur