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Die Trockenruhe


Weinbergschnecken (Helix pomatia) im Trockenschlaf am ehe-
maligen Bahnhof von Breitenlee bei Wien.
Bild: Robert Nordsieck.
 

Der wichtigste Schutz einer Landschnecke gegen Trockenheit und Verdunstung ist die Schleimschicht, die ihren Körper einhüllt. Der Schleim der Schnecken ist hygroskopisch - er nimmt Wasser eher auf, als dass er es abgibt und hüllt die Schnecke, ein Feuchtlufttier, in einen natürlichen Wassermantel.

 
Eine Membran aus getrocknetem Schleim verschließt die Scha-
lenmündung dieser Weinbergschnecke. Bild: Robert Nordsieck.

Besonders bei trockenem Wetter reicht die Schleimschicht der Schnecke allein jedoch nicht mehr aus, um sie vor der starken Verdunstung zu schützen. Die Weinbergschnecke zieht dann in ihr Gehäuse zurück und beginnt, ihre Schalenmündung mit Schleim abzudecken, der an der Luft bald zu einer dünnen Membran, dem Diaphragma, austrocknet.

Anschließend reduziert die Schnecke alle Lebensfunktionen bis auf das Notwendigste und wartet in dieser Trockenruhe ab, bis die Luft wieder feucht genug ist, dass sie nicht Gefahr läuft, auszutrocknen.

Im Sommer verbringen Weinbergschnecken die heißen Stunden des Tages oftmals vollständig in Trockenruhe und kommen erst abends aus ihrem Versteck, um Nahrung zu suchen. Weinbergschnecken vergraben sich oft bei Trockenheit im Boden oder verstecken sich unter Wurzeln und bodennahen Blättern. An schattigen und geschützten Plätzen kann man oftmals zahlreiche Weinbergschnecken auf engem Raum finden. 

Manche Schnecken kriechen auch an Pflanzenstängeln und Baumstämmen empor, wo die Luft ein wenig kühler ist, als am Boden, andere, wie Schließmundschnecken (Clausiliidae) und der Steinpicker (Helicigona lapicida) verstecken sich in Mauerritzen oder im Unterholz.

Gerade trockenheitsliebende (xerophile) Schnecken, wie zum Beispiel Heideschnecken (Helicella, Xerolenta), Dünenschnecken (Theba pisana) und Zebraschnecken (Zebrina detrita) sammeln sich in großer Zahl im Gebüsch, um trockene Zeiten zu überdauern. Ihre hell weißliche Schale schützt sie durch die Reflexion des Sonnenlichts vor starker Verdunstung. Da die Mündung am Untergrund klebt, schützt das Gehäuse auch optimal gegen Beutegreifer, die sich die Ruhephase der Schnecken zunutze machen.


Landschnecken in Trockenruhe auf der Insel Lastovo in Kro-
atien. Bilder: Roland Schindler.
 
Vergrößerte Ansicht.

Bei besonders lang anhaltender Trockenheit erweist sich aber auch die Membran an der Schalenmündung nur als ungenügender Verdunstungsschutz: Im Vergleich zur winterlichen Kältestarre, während der ein Kalkdeckel die Schalenmündung verschließt, verliert eine Weinbergschnecke in der Trockenruhe mehr als die doppelte Wassermenge durch Verdunstung.

  "Springende" Cornu aspersum
Eine "springende" Gefleckte Weinbergschnecke (Cornu asper-
sum
), Schwanzregion vergrößert. Bild: Robert Nordsieck.

Gerade in Regionen mit einem hohen Kalkangebot kommt es daher in besonders heißen Sommern auch vor, dass Weinbergschnecken ihre Schale mit einem Kalkdeckel verschließen, um die trockene Zeit zu überdauern. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich der Winterdeckel der Weinbergschnecken eigentlich aus einer Anpassung an Trockenheit in ihrem ursprünglichen mediterranen Herkunftsgebiet entwickelt hat.

Manche Schneckenarten, wie die Grunzschnecke (Cantareus apertus), die im Mittelmeergebiet zu Hause ist, verschließen ihre Mündung sogar nur für die Trockenruhe mit einem Kalkdeckel - sie müssen niemals überwintern.

Manche Schnecken passen auch ihre Fortbewegung der Trockenheit an. So versuchen zum Beispiel gefleckte Weinbergschnecken (Cornu aspersum), Feuchtigkeitsverlust durch einen trockenen Untergrund zu vermindern, indem sie "springen", also nur mit Teilen ihres Fußes den Untergrund berühren und eine typische unterbrochene Schleimspur hinter sich zurück lassen.

Ruhephasen bei Schnecken.