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Die Fortpflanzung der Schnecken

Näheres zur Fortpflanzung der Weinbergschnecke
Näheres zum Genitalapparat der Weinbergschnecke

So variabel die große Gruppe der Schnecken ist, so vielfältig sind auch ihre Fortpflanzungsstrategien. Im Besonderen kann man dabei die unterschiedlichen Meeres- und Süßwasserschnecken, die in der veralteten Literatur zum größten Teil als Vorderkiemer ("Prosobranchia") zusammengefasst werden, den Hinterkiemern (Opisthobranchia) und den Lungenschnecken (Pulmonata) gegenüberstellen, die an Land und im Süßwasser zu finden sind.

Systematik der Schnecken (Gastropoda).

Der Übergang an Land wurde in der Evolution der Schnecken erst durch vielfältige Anpassungen möglich. Meeresschnecken hängen besonders bei Begattung und Befruchtung, aber vor allem bei der Ausbreitung der Larven, vom umgebenden Wasser ab. Für das Leben auf dem trockenen Land mussten gerade dafür neue Strategien gefunden werden.

Geschlechter


Wellhornschnecken (Buccinum undatum) bei der Paarung.
Bild: Paul Newland, Marine Life Network.
 

Auch wenn man die Gruppen der Vorderkiemerschnecken einander heute als separate Gruppen gegenüberstellt, so haben sie doch die meisten von ihnen gemeinsam, dass sie getrennt geschlechtlich sind, es existieren also Männchen und Weibchen mit unterschiedlichen Geschlechtsorganen: Die Keimdrüse der Schnecke produziert entweder Eizellen oder Samenzellen.

Im Gegensatz dazu stehen beispielsweise die Landlungenschnecken (Stylommatophora), die artenreichste Gruppe der Schnecken, denen gemeinsam ist, dass es sich sämtlich um Zwitter (Hermaphroditen) handelt, die einen gemeinsamen Genitalapparat mit männlichen, weiblichen und zwittrigen Organen besitzen. Landlungenschnecken besitzen eine Keimdrüse, die sowohl Eizellen, als auch Samenzellen herstellt. Allerdings geschieht dies in der so genannten Zwitterdrüse der Weinbergschnecke (Helix pomatia) zu unterschiedlichen Zeiten, so dass es nicht zur Selbstbefruchtung kommen kann. Bei anderen Schneckengruppen kann diese aber sehr wohl vorkommen (s. u.).

An dieser Stelle muss man ausdrücklich den Begriff Landlungenschnecken verwenden, denn es gibt sehr wohl Landschneckengruppen, die man systematisch zu einer Gruppe der Vorderkiemer zählt und die im Gegensatz zu den Landlungenschnecken einen Schalendeckel und getrennte Geschlechter besitzen. Dazu zählen beispielsweise die Landdeckelschnecken (Pomatiasidae).

Geschlechtswechsel

 
Pantoffelschnecken (Crepidula fornicata) bei der Paarung.
Bild: Keith Hiscock, Marine Life Network.

Während die meisten Schnecken ein fest gelegtes Geschlecht haben oder, wie im Fall der Landlungenschnecken, überhaupt Zwitter sind, kann es bei manchen Arten auch vorkommen, dass sich im Verlauf des Lebens einer Schnecke ihr Geschlecht ändert. So sind zum Beispiel Pantoffelschnecken (Crepidula fornicata) zu Beginn ihres Lebens Männchen, die vorwiegend mobil leben, und später Weibchen, die im Allgemeinen sesshaft leben. So entstehen die sehenswerten Paarungsreihen der Pantoffelschnecken, indem die jüngeren Männchen auf den älteren Weibchen sitzen und sich mit diesen paaren. Ähnlich sieht die Entwicklung bei den Veilchenschnecken (Janthinidae) aus, die auch zuerst Männchen und dann Weibchen sind, aber keine sesshafte Phase haben.

Geschlechtliche und ungeschlechtliche Vermehrung

Wie bereits eingangs erwähnt, muss man bei den Schnecken den Unterschied zwischen geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Vermehrung machen. Man neigt zur irrigen Annahme, dass Landlungenschnecken, eben weil sie Zwitter sind, automatisch auch Selbstbefruchtung durchführen können. Bei vielen zwittrigen Schnecken, wie bei der Weinbergschnecke, liegt aber Protandrie vor, d.h. die Samenzellen entwickeln sich geraume Zeit vor den Eizellen und sind schon gar nicht mehr anwesend, wenn die Eizellen befruchtet werden, so dass sichergestellt ist, dass eine Befruchtung ausschließlich durch fremde Samenzellen geschieht.

Am Beispiel der verwandten Baumschnecke (Arianta arbustorum) wurde außerdem erforscht, dass die Samenzellen bis zum Erreichen der Samentasche (s.u.) des Partners durch einen besonderen Schutzüberzug an der Befruchtung eigener Eizellen gehindert werden.

Weitere anatomische Untersuchungen der Samentasche von Baumschnecken haben weiterhin zur Vermutung geführt, dass der Feinbau der Samentasche möglicherweise sogar die Auswahl der Samenzellen bestimmter Paarungspartner einer Schnecke zulässt.

Spitzschlammschnecke (Lymnaea stagnalis)
Spitzschlammschnecke (Lymnaea stagnalis).
Bild: Robert Nordsieck.
 

Anders sieht es zum Beispiel bei den Schlammschnecken (Lymnaeidae) aus. Diese können sich sehr wohl ungeschlechtlich vermehren, eine Strategie, die sie vor allem nutzen, wenn sie ein Gewässer neu besiedeln, wenn also eine geringe Populationsgröße vergrößert werden soll. Ungeschlechtliche Fortpflanzung kann auch wirklich nur der Vermehrung dienen, während die geschlechtliche Fortpflanzung vor allem der Neukombination der elterlichen Gene dient und so die Möglichkeit der Weiterentwicklung bietet.

Paarung und Befruchtung

Gerade die Paarungsstrategien bei den Schnecken sind sehr unterschiedlich und sehr vom Lebensraum abhängig. Bei Wasserschnecken kann die Befruchtung oft noch mit Hilfe des Wassers als Übertragungsmedium stattfinden, d.h. die Samenzellen gelangen aus eigener Kraft in den Genitaltrakt des Weibchens. Diese Methode findet beispielsweise bei den Veilchenschnecken (Janthinidae) statt, deren Männchen keinen Penis besitzen (Aphallie).

 
Weinbergschnecken bei der Paarung. Bild: Robert Nordsieck.

 Bei den Landlungenschnecken findet die Übertragung der Samenzellen in einem extra gebildeten Samenpaket, einer so genannten Spermatophore, statt. Die Begattung findet dabei nicht nur gegenseitig statt, da es sich ja um Zwitter handelt, sondern kann sogar gleichzeitig stattfinden.

Bei der Weinbergschnecke findet die Befruchtung zeitlich stark getrennt von der Begattung statt. Die Samenzellen, die die Schnecke während mehrerer Paarungen erhalten hat, werden in einer Samentasche (Spermatheca) gesammelt und gelangen dann untereinander konkurrierend zur Befruchtung.

Larvalentwicklung


Veliger-Larven einer Meeresschnecke (Kelletia kelletii). Quelle: Diana Lloyd.
 

Nachdem die Eizelle befruchtet worden ist, entwickelt sich bei Schnecken eine Larve. Diese verbreitet sich bei den meereslebenden Schnecken als Bestandteil des Planktons über das Wasser. Das frühe Larvenstadium ist bei den Weichtieren, wie bei den Gliederwürmern (Annelida) die Trochophora-Larve.

Wikipedia: Trochophora Larva.

Aus dieser entwickelt sich später eine, den Weichtieren eigentümliche, Larve, die man wegen ihrer segelartigen, bewimperten Fortsätze als Veliger (Segelträger) bezeichnet. Die Veliger-Larve der Schnecken besitzt bereits Ansätze von Organen einer ausgewachsenen Schnecke, wie zum Beispiel Augen, Fühleransätze und den Schalendeckel (Operculum). Sie hat auch schon eine Schale, die sich bei im Erwachsenenalter schalenlosen Arten erst später zurückbildet.

Wikipedia: Veliger Larva.

Nach einer Metamorphose entsteht dann später aus der Veliger-Larve eine Jungschnecke, die sich vom Alttier vor allem dadurch unterscheidet, dass sie noch keine fertigen Geschlechtsorgane besitzt, und dass ihre Schale noch durchsichtig und weich ist.

 
Diese frisch geschlüpfte, einen Tag alte Weinbergschnecke
hat noch eine weiche Schale, in die erst Kalk eingelagert wer-
den muss. Bild: Robert Nordsieck.

Gemeine Schließmundschnecke (Alinda bipli-
cata
) bei der Paarung. Bild: Robert Nordsieck.
 

Erst später gelingt es dem Jungtier, die Schale durch Kalkeinlagerung so auszuhärten, dass es zu den erstaunlichen Härtegraden beispielsweise der Helmschnecken (Cassidae) und Flügelschnecken (Strombidae) kommt, die von der modernen Werkstoff-Forschung nur mit größter Mühe nachgeahmt werden können.

Eine Entwicklung über frei schwimmende oder planktontische Larven ist bei den Landlungenschnecken natürlich unmöglich, da kein Wasser als Ausbreitungsmedium zur Verfügung steht. Daher findet die Larval-Entwicklung der Landlungenschnecken im Ei statt, aus dem schließlich fertige Jungschnecken schlüpfen.

Ovoviviparie

Sowohl bei Meeresschnecken (Janthinidae), Süßwasserschnecken (Viviparidae), als auch bei Landschnecken (Clausiliidae) kann es vorkommen, dass die Eiablage so lange verzögert wird, dass die Jungtiere im Körper des Muttertiers schlüpfen und geboren werden. Man bezeichnet dies als Ovoviviparie, einen Sonderfall der Viviparie (Lebendgeburt), da es sehr wohl ein Ei gibt, aus dem das Jungtier schlüpft, im Gegensatz zur echten Viviparie beispielsweise der Säugetiere. Die Familie der Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae) verdankt dieser Entwicklung ihrer Jungtiere ihren wissenschaftlichen Namen.

Während bei ovoviviparen Landschnecken und Süßwasserschnecken aber Jungschnecken zur Welt kommen, entlässt die Veilchenschnecke (Janthina janthina) fertige Veliger-Larven ins umgebende Wasser. Bei manchen Schließmundschnecken (z.B. der gemeinen Schließmundschnecke, Alinda biplicata), kommt es nicht immer zur Ovoviviparie, manchmal werden, abhängig von den Umweltumständen, auch ganz normal Eier abgelegt.