Wie gelangten die Schnecken an Land?

Teil 1: Lebensräume Teil 2: Systematik Teil 3: Morphologie und Entwicklung Teil 4: Ökologie und Schutz
  Wie gelangten die Schnecken an Land?    

Inhalt

Einleitung

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Größenordnungen der Landlungenschnecken (Stylommatophora):
Punktschnecke (Punctum pygmaeum) im Vergleich mit Ena montana.
 
Berg-Vielfraßschnecke (Ena montana) im Vergleich mit einer Weinberg-
schnecke (Helix pomatia). Bilder: Stefan Haller (schneckenfoto.ch).
Dank der Entwicklung der Lungenatmung sind die Lungenschnecken die mit Abstand artenreichste Gruppe, der im Verlauf der Stammesgeschichte der Übergang vom Meer an Land gelungen ist. Diese Entwicklung führte zu einer enormen Artenvielfalt, besonders innerhalb der Landlungenschnecken (Stylommatophora), die mit geschätzt 25.000 bis 30.000 Arten – neben den Caenogastropoda – eine der beiden größten Gruppen innerhalb der Schnecken (Gastropoda) darstellen. Rechnet man noch die Hygrophila (früher: Wasserlungenschnecken – Basommatophora) hinzu, so entfallen etwa 39 % aller bekannten Schneckenarten auf die Lungenschnecken (Pulmonata).

Sekundäre Luftatmung bei Landdeckelschnecken?

Landdeckelschnecken stammen von Kiemen tragenden Schneckengruppen ab. Daher besitzen sie auch keine Lunge. Stattdessen hat sich ihre Mantelhöhle sekundär zu einer Lunge entwickelt, während die Kiemen meistens zurück gebildet wurden. Auch gibt es kein Atemloch, sondern der Luftaustausch findet über eine Große Öffnung am Schalenrand statt.

Man bezeichnet diesen Zustand als pseudopulmonal oder sekundär pulmonal.

Wikipedia: Respiratory system of gastropods.
Stijn Ghesquiere:
Ampullariidae Respiration.
 
Doch sind die Lungenschnecken keineswegs die einzige Schneckengruppe, der der Schritt an Land im Laufe der Evolution gelungen ist. Vielmehr gibt es eine Reihe weiterer, stammesgeschichtlich nicht näher miteinander verwandter Gruppen, die allesamt unabhängig voneinander die Besiedlung des Landes vollzogen haben. Im Gegensatz zu den Lungenschnecken handelt es sich dabei durchweg um Landdeckelschnecken, denn nur diese besitzen – anders als Pulmonaten – einen Schalendeckel (Operculum).

So gehört etwa die Schöne Landdeckelschnecke (Pomatias elegans) zu den Littorinimorpha und damit zur großen Gruppe der Caenogastropoda, nicht jedoch zu den Lungenschnecken. Die Graue Walddeckelschnecke (Cochlostoma henricae) wiederum gehört zu den Architaenioglossa, einer Gruppe, die ebenfalls zu den Caenogastropoda gezählt wird – wie etwa auch die süßwasserlebenden Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae). Schließlich sind die tropischen Helicinidae, denen wir schon bei den Neritimorpha begegnet sind, ebenfalls landlebende Schnecken – obwohl ihre nächsten Verwandten, wie die meer- und süßwasserbewohnenden Kahnschnecken (Neritidae), ganz andere Lebensräume bevorzugen.

Insgesamt lassen sich also mehrere stammesgeschichtliche Entwicklungslinien nachvollziehen, durch die unterschiedliche Schneckengruppen jeweils auf eigene Weise die Fähigkeit erworben haben, auf dem trockenen Land zu leben. Neueren Forschungen zufolge hat dieser Übergang an Land zehn- bis zwölfmal unabhängig voneinander stattgefunden. Während einige Gruppen – insbesondere die Stylommatophora – teilweise ein reiches Fossilvorkommen hinterlassen haben, sind viele andere landlebende Schneckengruppen fossil nur schwach oder gar nicht nachgewiesen.

Landschnecken.
PONDER, W.F., LINDBERG, D.R. (2020): Biology and evolution of the Mollusca. Vol. 2., CRC Press, Boca Raton.
Warren D. Allmon & Jonathan R. Hendricks: Phylogeny and Classification of Extant Gastropoda.

Landlungenschnecken (Stylommatophora)

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Mäuseöhrchen (Myosotella myosotis, Ellobiidae): Tasmanien, Australien.
Bild: Bruno Bell (iNaturalist).
 
Man geht heute davon aus, dass die Hinterkiemerschnecken und Lungenschnecken gemeinsame Vorfahren haben. Neben der sogenannten Detorsion – der stammesgeschichtlichen Umkehrung der Torsion – ist beiden gemeinsam, dass sie keinen Schalendeckel (Operculum) mehr besitzen.

 
Schlanke Zwerghornschnecke (Carychium tridentatum).
Bild: Stefan Haller (schneckenfoto.ch).
Als frühe Vertreter der Lungenschnecken gelten die Küstenschnecken (Ellobiidae), etwa das Mäuseöhrchen (Myosotella myosotis). Diese Schneckenart ist an den Küsten Europas – von der Nord- und Ostsee bis zum Mittelmeer – weit verbreitet. Sie wurde zudem nach Nordamerika, Peru, Jamaika, Südafrika und Tasmanien eingeschleppt (vgl. iNaturalist).

Mäuseöhrchen leben bevorzugt im grasigen Bereich der Salzwiesen, unter Treibholz, Steinen, faulendem Tang oder angespülten Planken. Sie sind tolerant gegenüber dem Salzgehalt und ernähren sich hauptsächlich von Kieselalgen und Detritus. In Deutschland sind sie ausschließlich in Salzwiesen zu finden – ein Lebensraum, der zunehmend bedroht ist. Entsprechend gilt Myosotella myosotis dort als vom Aussterben bedroht.

NABU: Verstecktes Leben in der Salzwiese: Das Mäuseöhrchen im Porträt.
Arbeitskreis Mollusken NRW: Weichtier des Jahres 2008 Das Mäuseöhrchen Myosotella myosotis (DRAPARNAUD, 1801).

Typisch für die Ellobiidae ist die Lage der Augen an der Fühlerbasis – im Gegensatz zu den meisten anderen Landlungenschnecken, bei denen die Augen an der Spitze der Fühler sitzen. Es spricht vieles dafür, dass ein gemeinsamer Vorfahre von Ellobiidae und Stylommatophora direkt aus dem Meer kommend über küstennahe Lebensräume das trockene Land besiedelte. Während die Küstenschnecken wie Myosotella in ihrem ursprünglichen Habitat verblieben, haben sich ihre Verwandten, etwa die Zwerghornschnecken (Carychiidae), bereits weiter ins Landesinnere vorgewagt. Aus dieser Entwicklung gingen schließlich die Landlungenschnecken (Stylommatophora) hervor – eine Gruppe, die sich in zahllosen Lebensräumen behauptet und im Zuge ihrer Anpassung eine gewaltige adaptive Radiation erlebte.

Diese Radiation macht die Stylommatophora nicht nur zur artenreichsten Gruppe innerhalb der Schnecken, sondern auch zu einem zentralen Grund dafür, dass die Weichtiere (Mollusca) – nach den Gliederfüßern (Arthropoda) – der zweitartenreichste Tierstamm überhaupt sind.

GEYER, D. (1927): "Unsere Land- und Süßwasser-Mollusken", S. 131 f.; 3. Ed., K. G. Lutz-Verlag, Stuttgart.
WIESE, V. (2014): "Die Landschnecken Deutschlands", S. 35; Quelle & Meyer Wiebelsheim.
KERNEY, M.P., CAMERON, R.A.D., JUNGBLUTH, J.H. (1983): "Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas", S. 76 f.; Parey Verlag, Hamburg, Berlin.

Landdeckelschnecken (Pomatiidae)

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Schöne Landdeckelschnecke (Pomatias elegans): Keine Lungenschnecke!
Bild: Gilberto Sánchez Jardón (iNaturalist): Asturias, Spanien.
 
 
Schöne Landdeckelschnecken (Pomatias elegans) auf feuchten Felsen
in der Spitzwasserzone. Bild: Florence Gully (Estran 22).
Die Schöne Landdeckelschnecke (Pomatias elegans) ist ein häufiger, aber wählerischer Bewohner Westeuropas und des Mittelmeerraums. Sie ist ein Bewohner kalkreicher Böden mit ausreichend Feuchtigkeit und ausreichenden Versteckmöglichkeiten. Pomatias elegans ernährt sich von trockenen Blättern und zerfallendem Holz, können möglicherweise sogar Zellulose verdauen. Bei näherer Betrachtung wird aber offensichtlich, dass die Ähnlichkeiten mit "herkömmlichen" Landschnecken dort enden: Pomatias elegans besitzt einen Schalendeckel (Operculum), mit dem er sich gegen Trockenheit und Feinde schützt (auch wenn das z.B. gegen die Dalmatinische Raubschnecke Poiretia cornea nicht viel nützt). Auch befinden sich seine Augen an der Basis der Fühler, der Vorderkopf ist zudem zu einem deutlich erkennbaren Rüssel ausgebildet. Außerdem sind die Tiere, im Gegensatz zu den Landlungenschnecken, getrennt geschlechtlich.

Tatsächlich ist die Schöne Landdeckelschnecke gar nicht näher mit den Landlungenschnecken verwandt: Stattdessen zählt sie systematisch zu den Caenogastropoda, und dort zu den Littorinimorpha, d.h. ihre nächsten Verwandten sind die Strandschnecken (Littorinidae). Die ältesten Vertreter der Gattung Pomatias sind übrigens aus dem Oligozän, also vor ca. 33,9 - 23,03 Mio. Jahren, nachgewiesen. Damit stellt sich also die Frage, wie die Vorfahren von Pomatias elegans an Land gelangt sind.

Betrachtet man das Verhalten von Strandschnecken, so stellt man fest, dass es z.B. an der Nordseeküste und an der französischen Atlantikküste mehrere verschiedene Arten gibt, die unterschiedliche Teile der Gezeitenzone bewohnen: Viele Strandschneckenarten können gut zeitweiliges Trockenfallen überstehen und schützen sich entweder in Ritzen und Spalten der Strandfelsen, oder mit ihrem Schalendeckel gegen Austrocknung und gegen Fressfeinde, wie etwa Strandvögel.

Und tatsächlich wurde in der Bretagne (Dép. Côtes d'Armor, vgl. Estran22) auch Pomatias elegans schon beobachtet, wie er in der Spritzwasserzone auf Nahrungssuche ging. Die Art scheint also zumindest einigermaßen tolerant gegenüber Salzwasser zu sein. Es erscheint also wahrscheinlich, dass die Vorfahren der Schönen Landdeckelschnecke Strandschnecken-ähnliche Tiere waren, die eine zunehmende Toleranz gegen Trockenfallen entwickelt hatten, so dass sie schließlich dauerhaft auf dem trockenen Land bleiben konnten und nicht regelmäßig ins Meer zurückkehren mussten.

Das Operculum verblieb und gewann nun noch mehr Bedeutung zum Schutz gegen Trockenheit und gegen die allgegenwärtigen Fressfeinde. Die bereits erwähnte Dalmatinische Raubschnecke (Poiretia cornea) braucht hingegen eine spezialisierte Methode, um der bedeckelten Schnecken Herr werden zu können: Sie löst mit einer besonderen Säuredrüse im Fuß die Schalenwand der Beute auf, um diese dann ohne mögliche Gegenwehr fressen zu können.

Wikipedia: Schöne Landdeckelschnecke.
WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Pomatiidae R. B. NEWTON, 1891 (1828).
Estran 22: Faune et flore de la zone de balancement des marées en Côtes d'Armor: Mollusques (Französisch).
FECHTER, R., FALKNER, G. (1989): "Weichtiere", S. 122. Mosaik Verlag, München.
KERNEY, M.P., CAMERON, R.A.D., JUNGBLUTH, J.H. (1983): "Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas", S. 67 f.; Parey Verlag, Hamburg, Berlin.
WIESE, V. (2014): "Die Landschnecken Deutschlands", S. 33; Quelle & Meyer Wiebelsheim.

Walddeckelschnecken (Cochlostomatidae)

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Kleine Walddeckelschnecke (Cochlostoma septemspirale) mit zwei
Schließmundschnecken (Clausiliidae):  Isère, Rhône-Alpes, Frankreich.
Bild: Guillaume Hoffmann (iNaturalist).
 
Graue Turmdeckelschnecke (Coch-
lostoma henricae
): Liezen, Öster-
reich.
Bild: A. Mrkvicka (iNaturalist).
 
 
Graue Turmdeckelschnecke (Cochlostoma henricae): Bad Ischl, Salzkam-
mergut, Österreich. Bild: Martina Eleveld
   
 
Mulmnadel (Aciculidae): Serpiano, Tessin, Schweiz.
Bild: Stefan Haller (schneckenfoto.ch).
Eine weitere Gruppe der Landdeckelschnecken sind die Walddeckelschnecken: Die bekannteste Art im mitteleuropäischen Raum ist die Kleine Walddeckelschnecke (Cochlostoma septemspirale). LAMARCK hatte die Gattung 1799 wegen ihrer kreisrunden Mündung ursprünglich als Cyclostoma ("Kreismund") beschrieben. Fossil sind die Cochlostomatidae seit dem Paläozän (vor 66 bis 56 Mio. Jahren) bekannt.

Ursprünglich in Südeuropa verbreitet – von den südlichen Pyrenäen bis zur Balkanhalbinsel – hat sich die Art auch an einige Orte nördlich der Alpen ausgebreitet, etwa ins Oberrheintal, Wutachtal, die südöstlichen Kalkalpen Bayerns oder ins Donautal bei Regensburg. Die Kleine Walddeckelschnecke lebt bevorzugt an exponierten Kalkfelsen, in Geröllhalden oder in der Laubstreu schattiger Wälder. Sie kommt sowohl an trockenen als auch an feuchten Standorten vor und ernährt sich von Algen, Flechten sowie verrottendem Pflanzenmaterial. Nach Regen sind die Tiere oft in großer Zahl auf freiliegenden Felsen, Holzstücken oder an Baumrinde zu finden, wo sie den Oberflächenbewuchs abweiden. Bei Trockenheit ziehen sie sich unter Steine oder Totholz zurück.

In Norditalien (Südalpen) und Südostösterreich (Ostalpen), isoliert auch im Salzkammergut,  lebt eine weitere Art: Die Graue Walddeckelschnecke (Cochlostoma henricae), die bevorzugt auf Kalkfelsen vorkommt und als besonders trockenresistent gilt.

Wie die Landdeckelschnecken (Pomatiidae, s.o.) gehören auch jedoch die Walddeckelschnecken nicht zu den Lungenschnecken: Sie besitzen einen festen, kalkigen Schalendeckel (Operculum), nur zwei Fühler mit Augen an der Basis und sind getrennt geschlechtlich. Systematisch gehören sie ebenso zu den Caenogastropoda. Im Gegensatz jedoch zu den Landdeckelschnecken gehören sie zur Ordnung Architaenioglossa, gemeinsam mit Süßwasserschnecken wie den Apfelschnecken (Ampullariidae) und Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae). Eine weitere Familie landlebender Deckelschnecken innerhalb dieser Gruppe sind die Mulmnadeln (Aciculidae): Diese leben jedoch hauptsächlich in Wäldern unter Laubstreu, Steintrümmern und in Totholz, im Boden oder auch in Höhlen und ernähren sich in erster Linie von den Eiern anderer Schneckenarten. Fossil lassen sie sich als Tertiärrelikte bis ins Eozän (vor 56 - 33,9 Mio. Jahren) zurück verfolgen (BOETERS et al., 1989).

Auch bei den Walddeckelschnecken und Mulmnadeln stellt sich daher die Frage, wie der Übergang vom Wasser- zum Landleben erfolgt ist. Aufgrund ihrer Verwandtschaft mit den Sumpfdeckelschnecken liegt die Vermutung nahe, dass ihre Vorfahren ursprünglich in Flüssen und Seen lebten und allmählich über sumpfige Randbereiche an dauerhaftes Landleben angepasst wurden. Der Erhalt des Schalendeckels erwies sich auch bei ihnen als vorteilhaft – zum Schutz vor Austrocknung und Feinden in der neuen, terrestrischen Umgebung.

Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Apfelschnecken (Ampullariidae), die ebenfalls zur Großgruppe der Architaenioglossa gehören, sowohl Kiemen besitzen, als auch sekundäre Lungen entwickelt haben, da sie in Gewässern leben, die oft trockenfallen. Zusätzlich besitzen sie ein Atemrohr (Sipho) wie viele Meeresschnecken, das ihnen das Atmen bei niedrigen Wasserständen erleichtert. Es ist also gut vorstellbar, dass Walddeckelschnecken oder Mulmnadeln sich aus einem ähnlichen Vorfahren entwickelt haben könnten.

WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Cochlostomatidae KOBELT, 1902, Aciculidae J. E. GRAY, 1850
Wikipedia: Walddeckelschnecken, Mulmnadeln.
Stijn Ghesquiere: Ampullariidae Respiration.
BOETERS, H.D., GITTENBERGER, E., SUBAI, P. (1989): "Die Aciculidae (Mollusca: Gastropoda Prosobranchia)". Zoologische Verhandelingen, 252(1): pp. 1–230.
FECHTER, R., FALKNER, G. (1989): "Weichtiere", S. 116 f., S. 126 f.. Mosaik Verlag, München.
KERNEY, M.P., CAMERON, R.A.D., JUNGBLUTH, J.H. (1983): "Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas", S. 63 ff., S. 69 ff.; Parey Verlag, Hamburg, Berlin.

Helicinidae

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Helicina striata:  Puerto Rico.
Bild: Octavio Rivera Hernández (iNaturalist).
 
Die Helicinidae, zu guter Letzt, stellen eine weitere Gruppe landlebender Deckelschnecken dar. Sie sind in Europa nahezu unbekannt, obwohl weltweit über 500 Arten beschrieben wurden. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich über tropische und subtropische Regionen der Neuen Welt – etwa den Südosten der USA (z. B. Florida und Louisiana) – sowie über indo-pazifische Inseln bis an die Küsten Asiens und Australiens. In tropischen Lebensräumen stellen sie oftmals einen bedeutenden Teil der Weichtierfauna, sowohl hinsichtlich ihrer Artenvielfalt als auch ihrer Häufigkeit.

Ira Richling: helicina.de: Forschung an Helicinidae.

 
Helicina unizonata:  Orellana, Ecuador.
Bild: Stephen Luk (iNaturalist).
 
Helicina laus: Río Cuyabeno, Putumayo, Sucumbíos, Ecuador.
Bild: Felipe Campos (iNaturalist).
Helicinidae bewohnen eine Vielzahl von Lebensräumen, vor allem feuchte tropische Wälder. Sie sind häufig in der Laubstreu, unter verrottendem Holz oder auf Baumstämmen zu finden, wobei einige Arten stark an kalkreiche Böden gebunden sind. So wurde Helicina rhodostoma auf der Karibikinsel Dominica sowohl auf Farnen und Baumrinde als auch zwischen Felsen und Kies dokumentiert. Helicina guppyi, ebenfalls auf Dominica verbreitet, lebt bevorzugt auf Baumstämmen, wo sie durch ihre Färbung gut getarnt ist. Helicina clappi wiederum wird in Florida aufgrund ihrer manchmal auffallend bunten Schale als "Rainbow Drop" bezeichnet.

Die Schalen vieler Helicinidae erinnern – wie ihr Name – an Schnirkelschnecken (Helicidae), doch hier endet die Ähnlichkeit bereits: Wie die zuvor beschriebenen Gruppen sind auch die Helicinidae keine Lungenschnecken: Sie besitzen einen kalkigen Schalendeckel (Operculum), sind getrennt geschlechtlich und verfügen über zwei Fühler, an deren Basis die Augen sitzen. Systematisch gehören sie nicht zu den Caenogastropoda, sondern zu den Neritimorpha – und sind damit mit den meeres- und süßwasserlebenden Kahnschnecken (Neritidae) verwandt.

Auch bei den Helicinidae stellt sich daher die Frage, wie ihre Vorfahren den Übergang zum Landleben vollzogen haben denn laut Dr. Ira Richling (helicina.de) sind sie "eine Schneckengruppe, die sich evolutionär als erste, unabhängig von anderen und meist besser bekannten Landschneckengruppen wie z. B. den Lungenschnecken, zum Landleben entwickelte". Und "trotz dieser interessanten Aspekte wurden sie als Forschungsobjekte weitgehend vernachlässigt".

Viele Kahnschneckenarten leben in Grenzbereichen zwischen Wasser und Land: Manche, wie die Gemeine Kahnschnecke (Theodoxus fluviatilis), eigentlich eine Süßwasser-Art, kommen dank ihrer hohen Salinitätstoleranz sogar im Brackwasser der Ostsee vor. Andere, wie Nerita lineata, sind in Singapur häufige Bewohner von Mangrovensümpfen und Monsun-Abflüssen (vgl.: Guide to the Mangroves of Singapore: Common nerite). Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass sich die Helicinidae aus Vorfahren ähnlich der Kahnschnecken entwickelt haben könnten, die von einer amphibischen Lebensweise an Küstenstandorten und in Mangrovengebieten zu einem vollständig terrestrischen Leben übergegangen waren.

Eines ist aber sicher: Trotz ihres ähnlich lautenden Namens könnten Helicinidae und Helicidae unterschiedlicher nicht sein!

ROBINSON, D.G., HOVESTADT, A., FIELDS, A., BREURE, A.S.H. (2009): "The land Mollusca of Dominica (Lesser Antilles), with notes on some enigmatic or rare species". Zoologische Mededelingen 83. (Link).
Wikipedia: Helicina rhodostoma, Helicina guppyi (Englisch).
Jacksonville Shell Club: Florida Land Snails Part 2.

 


Mit Bildern von Stefan Haller:
http://www.schneckenfoto.ch.

Letzte Änderung: 13.09.2025 (Robert Nordsieck).